Der Krieg – ein himmelschreiendes Vergnügen.

Hilde Schneider

Unter meinen Bekannten (– sogar unter denen, die mir wirklich nahestehen, meinen Freund*innen also) gibt es welche, die allen Ernstes glauben, mit Trump als designiertem US- Präsidenten werde es bald wieder Frieden in der Ukraine geben. Eine widersinnige Idee, die vor allem auf der Überzeugung fußt, für das Andauern des Krieges seien in erster Linie die Waffenlieferungen des Westens, vor Allem diejenigen Amerikas, verantwortlich zu machen. Denn der Krieg werde mit Hilfe westlicher Waffenlieferungen nicht nur am Laufen gehalten, sondern darüber hinaus weiter angeheizt und in eine Eskalationsspirale hinein getrieben.
Und hier nun kommt Donald Trump ins Spiel mit seinem Wahlversprechen, der Ukraine den Geldhahn zu zudrehen und auf diese Art einen als diplomatische Lösung getarnten russischen Diktatfrieden herbeizuführen.

So oder so ähnlich sehen die Friedensversprechungen aus, die derzeit im Raum stehen. Ganz so, als ginge es in erster Linie um unseren eigenen Frieden, sprich: um unsere Ruhe vor weiterer Belästigung durch die Probleme anderer. Wo wir doch selber grad genug am Hals hätten. Und ganz so, als sei die (vorübergehende?) Abwesenheit von Waffengewalt für die Ukraine ein und dasselbe wie Frieden.

Aber – wie meine friedensbewegten Bekannten nicht müde werden zu wiederholen: mit Waffengewalt sei schließlich noch nie etwas Positives erreicht worden. Oder anders ausgedrückt: Krieg habe noch nie dazu beigetragen, Probleme zu lösen. Er vervielfache sie höchstens.

Nehmen wir also an, dass hinter dieser Aussage echte pazifistische Überzeugung steckt und dass es denen, die sie immer wieder ins Feld führen, tatsächlich vor Allem darum geht, das Töten zu beenden. In einer Beziehung bin ich ganz ihrer Meinung: der Krieg als Heldenepos, als Ausgeburt und Highlight toxischer Männlichkeit hat wirklich keine Daseinsberechtigung. Er ist unter allen Umständen abzulehnen.

Aber ist Krieg tatsächlich immer gleich Krieg? Was ist mit denen, die gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung kämpfen, sich gegen die Gewalt wehren, der sie ausgesetzt sind? Sind die Verteidiger von Leib und Leben, Haus und Hof überhaupt in der komfortablen Lage, sich jeder Form von Gewalt zu enthalten und sich ausschließlich friedlicher Mittel zu bedienen? Wer das verlangt, macht keinen Unterschied zwischen Aggressor und Angegriffenem und glaubt, alle an einer kriegerischen Auseinandersetzung Beteiligten seien letztlich gleichermaßen dafür verantwortlich zu machen.

Den vergangenen und gleichzeitig zukünftigen US-Präsidenten dürften solche „Haarspaltereien“ wenig interessieren. Denn auch wenn er sich grade als Peacemaker geriert, in Wirklichkeit ist er doch nur ein von seinen aggressiven Instinkten beherrschter Mann, der keine Chance, sondern eine Gefahr für den Weltfrieden darstellt.

Denen, die für ihn gestimmt haben, müsste das eigentlich bewusst sein. Denn Trump hat zu keinem Zeitpunkt Kreide gefressen oder seine wahren Motive zu verschleiern versucht. Auch den Anhängern der demokratischen Partei ist die Gefahr, die von Trump ausgeht, keinesfalls entgangen, aber auch die haben sie heruntergespielt, indem sie Trump und seine Aussagen als „weird“ bezeichneten, als „irgendwie seltsam“. So, als könne man das, was dieser Typ ganz ungeniert so von sich gibt, nur als Provokation oder Dummheit abtun, aber doch sicher nicht als Drohung ernst nehmen.

Dabei ist er keinesfalls der Erste und Einzige, der auf der weltpolitischen Bühne kein Blatt vor den Mund nimmt. Auch von Wladimir Putin hat man schon so manches Unwahrscheinliche (oder Seltsame?) gehört, was er anschließend, zur Überraschung aller, kaltblütig in die Tat umgesetzt hat. Seiner Popularität hat das nur bedingt Abbruch getan; auch bei uns gibt es ja immer noch erstaunlich viele Leute (wie gesagt, auch unter meinen Bekannten), die seinem Narrativ letztendlich folgen– nicht ohne eine gewisse, kritische Distanzierung zwar, aber de facto dann eben doch.

Wie Putin sucht auch Trump seine üblen Absichten in keiner Weise zu bemänteln -und das mit noch überwältigenderem Erfolg bei den Wähler*innen. Ein Politiker, der so unverstellt sagt, was er denkt oder was ihm grade ganz unvermittelt durch den Kopf geht, der so furchtlos gegen den Gegner austeilt, ohne sich dabei im Geringsten um den eigenen Ruf zu sorgen, sprich: nach dem Wähler zu schielen – das muss doch ein ganz besonders aufrichtiger, mutiger und grundehrlicher Mensch sein. So verzerrt scheint das Bild zu sein, das Trumps Anhänger*innen sich von ihm machen. Dass es in seinem Dunstkreis von Lug und Trug nur so wimmelt, tut dabei absolut nichts zur Sache.

Denn was vor allem zählt, ist die Performance. Die gradlinige Skrupellosigkeit, mit der einer sein Ding durchzieht und seiner egozentrischen Weltsicht zum Durchbruch verhilft – das ist es offenbar, was Glaubwürdigkeit verschafft. Nicht so sehr auf die Inhalte kommt es dabei an, sondern vielmehr auf das Selbstbewusstsein, auf die Richtung Größenwahn tendierende Überheblichkeit, mit der diese Inhalte behauptet werden. Kein Weichei sein, sondern ein kraftstrotzender, gnadenloser Kämpfer, ein harter, ein richtiger Kerl – da kommt offenbar Bewunderung auf.

Seltsam eigentlich, wie exakt dieser Typ von Macker, den wir mit dem Aufkleber „Alter weißer Mann“ versehen schon längst in der Rumpelkammer der Geschichte entsorgt haben wollten, wie der sich urplötzlich wieder auf der Überholspur befindet.

Einen Prototyp dieser Gattung hat der russische Starregisseur Kyrill Serebrennikov in seinem letzten Film porträtiert, nämlich den aus Charkiw stammenden, in den 70er und 80er Jahren im US-amerikanischen und französischen Exil lebenden und nach dem Ende der Sowjetunion in seine russische Heimat zurückgekehrten Schriftsteller Eduard Limonow. Das Drehbuch zum Film basiert auf dem Bestsellerroman „Limonow“ von Emanuel Carrère, den dieser dem 2020 verstorbenen enfant terrible der zeitgenössischen russischen Literatur gewidmet hat. Was sowohl Film als auch Roman zum Ausdruck bringen, ist sowohl Abscheu als auch Faszination für einen Künstler und politischen Agitator, der in seinem Lebensstil ebenso wie in den politischen Ansichten einer regressiven, hegemonialen Männlichkeit das Wort redet.

Im Krieg sieht Limonow die größte Herausforderung eines Abenteurerlebens, die- im Sinne Freuds – lustvolle Befreiung aggressiver menschlicher Instinkte von der Unterdrückung durch die Zivilisation. Er hat diese Erfahrung in seinem eigenen Leben mehrfach gesucht und gefeiert, hat in proserbischen Milizen gekämpft, für die Separatisten im georgischen Abchasien und in Transnistrien, immer auf der Seite der pro-russischen Kräfte. Obwohl glühender Nationalist hat er sich zu einem dezidierten Gegner Putins entwickelt, auch wenn er dessen russisch-imperialen Ansprüche nicht nur teilte, sondern schon lange vor ihm formuliert hat. Serebrennikow, der Regisseur, fasst den Inhalt seines Biopics wie folgt zusammen: „Limonow mochte es, gegen alle zu sein und jetzt scheinen wir in Limonows Welt zu leben.“

Auch Donald Trump hat davon profitiert, dass es in der Welt von heute durchaus wieder opportun zu sein scheint, die männliche Vorherrschaft über Frauen und andere Minderheiten bzw. Minderwertige als naturgemäßes, angestammtes Recht zu sehen. Vieles spricht dafür, dass ein solcher Rückfall ins patriarchale Denken weltweit auf dem Vormarsch ist – unterstützt auch von Frauen wie Marine Le Pen, Giorgia Meloni, Alice Weidel und Sarah Wagenknecht, die solch überholt geglaubtes hierarchisches Denken nach Kräften unterstützen – „ to make men great again“. Denn nicht nur Männer nutzen die männliche Verunsicherung über das Verschwinden ihrer traditionellen Rolle und den damit einhergehenden Dominanzverlust, um darauf ihr machtpolitisches Süppchen zu kochen.

Heute, am internationalen Männertag (19.November), dauert der Krieg gegen die Ukraine seit 1000 Tagen an. Männerschmerz ist nicht nur ein Schmerz, an dem Männer leiden, sondern auch einer, mit dem sie andere überziehen. Aber zwischen beidem besteht womöglich ein Zusammenhang.

 

  • Christina Herbert-Fischer

    21.11.2024, 18:29

    Danke für diesen Artikel, mir gefällt er nicht nur, weil ich ähnlich denke.

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