„It’s Showtime!“ oder: Ein Präsident in der Kampfzone
Die Besetzung der politischen Schlüsselpositionen der zukünftigen Trump-Administration zeichnet sich immer mehr ab. Wer mit einem Minister- oder Beraterposten bedacht werden soll, muss mindestens die erste, möglichst aber mehrere der folgenden Eigenschaften aufweisen: 1.) Absolute Loyalität gegenüber Trump; 2.) Verachtung des politischen Betriebs und des Beamtenapparats in Washington bzw. dessen, was in der rechten Szene gerne als „deep state“ bezeichnet wird; 3.) Erfolge als Unternehmer/in oder Inhaber/in eines sehr großen Vermögens; 4.) Popularität durch einen der rechten Medienkanäle wie zum Beispiel Fox-News.
Zu den Kandidatinnen und Kandidaten, die diesen Merkmalen entsprechen und die Donald Trump daher für Ministerposten ausgewählt hat, gehört nun auch Linda McMahon. Sie ist Unternehmerin in einer Branche, mit der der kommende US-Präsident enge Verbindungen pflegt: Zusammen mit ihrem Mann Vince McMahon ist sie Miteigentümerin der „World Wrestling Entertainment“, kurz WWE, und war zeitweise deren CEO.
Nun ist Linda McMahon nominiert für den Posten der Ministerin für Bildung. Eine Aufgabe also, die global gesehen nicht relevant ist. Bei Trump selbst steht das Thema Bildung nicht gerade hoch im Kurs, ursprünglich hatte er vor, das betreffende Ministerium ganz abzuschaffen.
Ein kurzer Blick auf die Personalie und ihre Hintergründe lohnt sich dennoch.
Die WWE gilt als weltweit größte Wrestling-Veranstalterin, die Umsätze liegen im Milliardenbereich. Das Unternehmen strahlt unter dem Titel „Raw“ und „SmackDown“ Shows in mehr als 150 Ländern aus, veranstaltet jährlich mindestens 12 Pay-per-View-Events, darunter das populäre Format „WrestleMania“, und hält weltweit etwa 320 Live-Events pro Jahr ab. Auch dem deutschen TV- und Streaming-Publikum sind diese Formate bekannt, sie liefen auch teilweise ohne Bezahlschranke über den Bildschirm.
Nahezu alle bedeutenden Wrestler der vergangenen Jahrzehnte standen bei WWE unter Vertrag, darunter auch Terrence Gene Bollea, bekannt unter dem Namen „Hulk Hogan“. Der blonde Hüne mit dem markanten Schnauzbart und der Wollmütze wurde ab Mitte der 1980er-Jahre zum ersten Weltstar der WWE. Wir kommen auf ihn noch zu sprechen.
Wie eng die Bande seit den 1980er Jahren zwischen WWE und Donald Trump sind, kann man daran erkennen, dass zwischen dem Präsidenten in spe und dem Unternehmerpaar McMahon seit vielen Jahren enge freundschaftliche Beziehungen bestehen. Doch auch geschäftlich passt es hervorragend zusammen: Trump, der seine landesweite Bekanntheit nicht zuletzt seinen zahlreichen Fernsehauftritten in Serien, Talk- und Comedyshows, vor allem jedoch dem von ihm erfolgreich angeführten Format „The Apprentice“ verdankt, fand in dem ebenfalls über die TV-Medien groß gewordenen Geschäft mit muskelbepackten Kämpfern einen kongenialen Partner.
„WrestleMania“ gastierte in Trumps Hotels, er selbst trat mehrfach bei diesen Shows in Erscheinung, darunter auch 2007 mit einer vom Publikum begeistert gefeierten Wrestling-Einlage, in dem er persönlich Vince McMahon zu Boden rang, öffentlichkeitswirksam vermarktet als „Battle of the Billionairs“. 2013 wurde Trump aufgrund seiner Verdienste um die Wrestling-Szene in die „WWE Hall of Fame“ aufgenommen.
Fragt man bei ChatGPT an, wie Wrestling und Trump zusammenhängen, bekommt man folgende Antwort:
„Trump hat mit seiner Wrestling-Präsenz geholfen, die Grenzen zwischen Unterhaltung und Realität zu verwischen. Seine WWE-Auftritte haben nicht nur zu seinem Image als „harte“ und populistische Persönlichkeit beigetragen, sondern auch das Wrestling selbst beeinflusst. Die WWE nutzt oft reale politische und gesellschaftliche Themen für Storylines, und Trumps Beteiligung trug zur medialen Strategie der WWE bei, aktuelle Themen mit dem Wrestling zu verweben. Trumps Verbindung zur Wrestling-Szene ist daher eng mit seinem persönlichen und beruflichen Leben verbunden und diente ihm als Plattform, um seine Popularität und Bekanntheit zu steigern. Die WWE wiederum profitierte durch die mediale Aufmerksamkeit, die Trumps Beteiligung generierte.“
Man kann es also als eine Art Dankadresse verstehen, dass der inzwischen 71jährige, doch immer noch furchteinflößend aussehende „Hulk Hogan“ auf der „Republican National Convention 2024“, also immerhin auf einem Parteitag, ans Rednerpult durfte, um dort – eines seiner Markenzeichen – wirkungsvoll sein T-Shirt am mächtigen Oberkörper zu zerreißen. Mit heißerer Stimme verkündete er, was er mit Leuten tun werde, die sein Idol Trump angreifen wollen. Der Saal raste ekstatisch!
Natürlich wissen alle (bzw. müssten es wissen), dass sich die Wrestler – allesamt durchtrainierte und bestens präparierte Athleten – nicht wirklich bekämpfen und auch nur in Maßen wehtun. Das Wrestling – zu Deutsch: Ringen – hat sich in dieser US-amerikanischen Form von einer ernsthaften Sportart mit Wurzeln in archaischen Zeiten, sehr beliebt auch in der Antike, mit Beginn des 20. Jahrhunderts von einer Jahrmarktsattraktion zu einem reinen Showgeschäft entwickelt. Waren anfangs zumindest noch nicht alle Kämpfe abgesprochen, so sind sie es heute durchweg. Deren Choreographie ist spektakulär und für die Nachahmung durch Untrainierte nicht zu empfehlen. Doch all die Schläge und Griffe der Kombattanten sind so gesetzt, dass sich das Gegenüber nicht grob verletzen kann.
Gibt es unter den echten Ringern, die auch an den Olympiaden antreten, so gut wie keine Vollprofis, so sind die Wrestler es in der Regel. Die meisten bringen es zu großer Bekanntheit, einige auch zu großem Wohlstand. Vor allem in den USA, aber auch in vielen anderen Teilen der Welt genießen sie Kultstatus. Manchen von ihnen gelingt auch der Wechsel innerhalb des Showgeschäfts, indem sie zum Beispiel Karrieren als Film-Schauspieler in Hollywood starten, so der menschenfreundlich wirkende Dwayne „The Rock“ Johnson. Der oft martialisch auftretende David Michael Bautista hat es inzwischen sogar schon ins ernste Rollenfach geschafft. Anderen wiederum ist es gelungen, vergleichbar dem ebenfalls über seine Muskeln berühmt gewordenen Bodybuilder Arnold Schwarzenegger, in die Politik zu wechseln, so Jesse Ventura als Gouverneur von Minnesota. Seltener dagegen, dass ein Wrestler, wie zum Beispiel Brock Lesnar, bei den Mixed-Martial-Arts-Kämpfern antritt und dort ein hohes gesundheitliches Risiko eingeht.
Donald Trump jedenfalls scheinen seine Verbindungen mit der Wrestling-Branche sehr genutzt zu haben. Vieles an seinem äußeren politischen Stil, die rüde Macho-Allüre und die offen zur Schau gestellten Aggression bis hin zur Körperlichkeit seiner Auftritte, seine beleidigenden und wütenden Attacken gegen seine Gegner, seine öffentlichen Racheschwüre – das hat er von dort übernommen oder sich von dort inspirieren lassen.
Denn zu einer guten Wrestling-Show gehört das sogenannte „Ballyhoo“, ein marktschreierisches Gebaren vor dem Kampf. Dort gehen die von der Wrestling-Organisation ausgewählten Kämpfer, die sich vermutlich nach den Shows friedlich zum Feierabendbier zusammensetzen, vor dem Geschehen im Ring verbal aufeinander los. Schmähungen, Beleidigungen und Drohungen, zelebriert in den TV-Kanälen, gehören unabdingbar zum rhetorischen Repertoire. Das erhöht die Spannung.
Die Grenzen zwischen Unterhaltung und Realität zu verwischen: dieses Mittel benutzt also nicht nur die Wrestling-Branche, sondern auch der kommende US-amerikanische Präsident, um dem Publikum seine Politik zu verkaufen. Der Verrohung des politischen Dialogs in der ohnehin tief gespaltenen US-amerikanischen Gesellschaft leistet es in jedem Fall großen Vorschub. Nachahmer seines Stils findet Trump inzwischen weltweit.
Zur Ehrenrettung Linda McMahons sei abschließend erwähnt, dass sie zumindest über gewisse Erfahrungen im Bildungsbereich und auf dem politischen Feld verfügt. Immerhin hatte sie Französisch auf Lehramt studiert (jedoch nicht ausgeübt) und saß ein Jahr lang im Schulausschuss des Bundesstaates Connecticut. In der clownesken Truppe der zukünftigen Trump-Administration kann sie daher sogar mit gewissem Fachwissen punkten.
Peter Conzelmann