Mit Trumpschem Gruß

Peter Conzelmann

Elon Musk hat es gemacht: Auf dem Podium der vollbesetzten „Capital One Arena“, in die die traditionelle „Presidential Parade“ zur Amtseinführung Donald Trumps verlegt worden war, schnellte zum Abschluss seiner improvisierten Ansprache – manche sagen: im Überschwang – sein rechter Arm samt flacher Hand in die Höhe. „Yeeees!“ schrie er in die Menge: „So fühlt sich Sieg an!“ Seither kursieren die Bilder, die Musk mit der als „Hitler-Gruß“ oder auch als „deutscher Gruß“ bekannten Pose zeigen. Aktivisten projizierten dieses Bild, inzwischen nahezu eine Ikone des Zeitgeistes, auf die Fassaden der Tesla-Werke oder plakatierten es im öffentlichen Raum.

Steve Bannon hat es auch gemacht, schon vor der Wiederwahl Trumps, im Februar 2024: Der Publizist, ultrarechte Mastermind und Unterstützer Donald Trumps bei dessen erster Wahl beendete seine Rede bei der Konferenz stramm konservativer Aktivisten „CPAC“ mit einer Geste, die ostentativer noch als bei Musk ausgeführt wurde und daher unzweifelhaft als Hitler-Gruß zu erkennen ist. „Kämpft! Kämpft! Kämpft!“, rief Bannon den Anwesenden zu, nachdem er zuvor neben anderen Marksteinen für eine Revolutionen von rechts auch die – gemäß US-Verfassung ausgeschlossene – Wiederwahl Trumps im Jahr 2028 ins Spiel brachte.

Viele in- und außerhalb der USA sind angesichts dieser Auftritte irritiert und schockiert. Die Sympathiewerte für Elon Musk und seine E-Auto-Marke Tesla fielen ins Bodenlose, die Verkäufe brachen nahezu in jedem Land ein. Trumps Lager und die einschlägigen rechten Foren hingegen wiegeln und leugnen alles ab.

Das zeigt offensichtlich Wirkung. Fragt man zum Beispiel bei ChatGPT, einem Produkt der (noch) nicht von Musk beherrschten Open AI Inc., in Bezug auf Elon Musk nach, so bekommt man zur Antwort:

„Es gibt keine glaubwürdigen Berichte oder Beweise dafür, dass Elon Musk jemals den rechten Arm in einer Weise gehoben hat, die mit einem faschistischen Gruß in Verbindung gebracht werden könnte. (…) Elon Musk hat nie öffentlich den faschistischen Gruß gezeigt. Es gibt keine bekannten oder dokumentierten Fälle, in denen er das getan hat. Musk ist bekannt für seine Arbeit in der Technologiebranche und seine Beteiligungen an verschiedenen Unternehmen wie SpaceX und Tesla.“

Über Steve Bannon weiß ChatGPT ganz sicher:

„Es gibt keine bekannten oder glaubwürdigen Berichte darüber, dass Steve Bannon jemals den faschistischen Gruß gezeigt hat. Bannon ist eine umstrittene politische Figur und ehemaliger Chefstratege von Donald Trump, aber es gibt keine bestätigten Fälle, in denen er diesen Gruß ausgeführt hätte.“

Wenn kein faschistischer Gruß, was ist es dann? Simpler Ausdruck der Begeisterung für den Sieg ihres Heros Donald Trump und die Umwertung aller Werte in den USA?

Donald Trump selbst hat sich zu dieser Armbewegung bisher noch nicht hinreißen lassen. Oder wurde zumindest nicht dabei beobachtet. Ihn sieht man dagegen immer wieder die geballte Faust noch oben recken. Fotografische Belege finden sich zahlreich im Internet.

Die erhobene geballte Faust ist aus politischen und sozialen Bewegungen des linken Lagers bekannt. Sie war und ist ein Erkennungszechen die Arbeiterbewegung, Sozialisten und Kommunisten unterschiedlicher Couleur nutzten und nutzen sie, aber auch Aktivisten wie zum Beispiel von Black Power zeigten die Geste als Zeichen der Kraft, der Entschlossenheit oder der Kampfbereitschaft. Wir von unten gegen die da oben!

Dass nun Trump als US-Präsident und Anführer der sich immer deutlicher als faschistisch sich offenbarenden rechten Bewegung der USA, diese Geste benutzt, ist eine Kontrafaktur: die Übernahme einer symbolischen Form der politischen Gegenseite, und mit dieser Übernahme die Entleerung bisherigen beziehungsweise eine Verkehrung ihres Inhalts.

Der Begriff Kontrafaktur stammt ursprünglich aus der Musik: Weltliche Musik wurde mit geistlichem Text versehen oder umgekehrt geistliche Musik mit weltlichem Text. Anwendung fand der Begriff auch in anderen ästhetischen Bereichen, so auch im Fall politischer Formensprache.

Beispiele finden sich viele, entstanden meist in Situationen, in welchen die Spaltung der Gesellschaft, allgemein oder zu bestimmten virulenten Themen, weit fortgeschritten ist und der politische Druck zunimmt. Der öffentliche Raum wird in solchen Situationen mehr und mehr mit Formen und Symbolen besetzt, um so die eigene Position und Stärke sichtbar zu machen oder Widerstand zu organisieren. Das können auch spielerische Formen sein wie zum Beispiel der weit verbreitete „Atomkraft, nein danke!“-Sticker, der massenhaft als Statement und Ausdruck einer sozialen Bewegung auf Autos, Laternenpfähle und Pinnwände geklebt wurde. Mit dem Mittel der Kontrafaktur greift die Gegenseite auf solche Formen und Symbole zurück. So erschienen nach einer gewissen Zeit, allerdings mit deutlich geringerem Erfolg, ähnlich gestaltete „Atomkraft, ja bitte!“ oder „Steinzeit, nein danke!“-Sticker.

Ein bekanntes, wiederum musikalisches Beispiel ist das „Horst-Wessel-Lied“, ein Marsch, der zur Hymne der nationalsozialistischen SA wurde und in welchem Rhythmen und Melodieführungen von Arbeiterliedern aufgenommen wurden. Er gehörte, neben anderen teils auch populistischen Zutaten, zu den breitenwirksamen Maßnahmen der nationalsozialistischen Bewegung, um sich Zugang zur Arbeiterschaft zu verschaffen.

Zugang zur Arbeiterschaft, das ist auch Trumps vorgebliches Ziel. Er kam an die Macht mit der an die US-amerikanische Unterschicht und die von Abstiegsängsten geplagten Mittelschicht adressierten Behauptung, die USA in ein „goldenes Zeitalter“ zu führen. Mit „MAGA“-Parole und haltlosen Versprechungen auf schnelle Erfolge nutzte er vor allem die desolate Stimmung in den Industrieregionen des mittleren Westens.

Ein Milliardär, der zusammen mit anderen Milliardären die Weltökonomie zu seinen beziehungsweise deren Gunsten umgestalten möchte, geriert sich als oberster Arbeiterführer. Dafür stehen seine vulgär-aggressive Rhetorik, der zur Schau gestellte primitive Patriotismus, sein Faible für Massenvergnügungen wie Wrestling-Shows und die martialisch gereckte Faust als „Trumpschem Gruß“.

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