
Der Papst soll’s richten
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder Donald Trump kann nicht und/oder er will nicht. Sein wie immer mit großem Aplomb angekündigtes Telefonat mit Wladimir Putin am 19. Mai erbrachte – nichts. Außer dass sich Trump, wie er das immer tut, hinterher selbst auf die Schultern klopfte über seine wieder einmal unter Beweis gestellten sagenhaften diplomatischen Fähigkeiten und seine enorme Menschenkenntnis.
Die Atmosphäre des rund zweistündigen Plausches sei „ausgezeichnet“ gewesen, tönte es aus dem Weißen Haus. Zählbares ist allerdings nicht dabei herausgekommen. Keine Beendigung des mörderischen Krieges, auch kein Einstellen der ständigen Drohnenangriffe auf die Zivilbevölkerung, nicht einmal ein zumindest temporärer Waffenstillstand. Der neueste Gag ist nun, dass über Letzteren im Vatikan verhandelt werden solle. Papst Leo wird’s schon richten.
Sollte das am Ende zu nichts führen, wollen sich die USA, so Trumps Ankündigung, aus dem Prozess zurückziehen. Schließlich sei das Ganze sowieso eine Angelegenheit der Europäer, wie er immer wieder betonte, so schon in seiner ersten Amtszeit und insbesondere auch im aktuellen Wahlkampf.
Die Frage muss an der Stelle erlaubt sein, aus welchem Grund sich dann die USA im Nahen Osten engagieren, warum Trump den israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu so sehr ans Herz gedrückt hat, warum die US-Luftwaffe aktiv eingreift und Stellungen der Huthi-Milizen angreift, nachdem diese Raketen auf Israel gefeuert hatten. Wäre das Ganze nicht, der Trumpschen Logik zufolge, allein ein Problem der dortigen Anrainerstaaten? Man fragt sich auch, warum die USA keinen Zweifel daran lassen, Taiwan aktiv zu verteidigen, sollte China es je wagen, sich die völkerrechtlich gesehen auf wackeligen Beinen stehende Insel militärisch einverleiben, aus chinesischer Sicht zurückholen zu wollen. Wäre das nicht, nach der gleichen Logik, eine asiatische Angelegenheit?
Donald Trump kann nicht, weil er und seine Kamarilla offenbar über keinerlei historischen Horizont verfügen (oder diesen geflissentlich ignorieren), wie die Lage in Osteuropa, vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer, in und als Folge des Zweiten Weltkriegs entstanden ist und welchen Anteil die USA als damals aktive Kriegspartei daran hatte, indem sie den halben Kontinent dem sowjetischen Imperialismus überließ. Er kann nicht, weil ihm offenbar die NATO-Verträge samt der damit verbundenen Sicherheit ein Buch mit sieben Siegeln sind, eine Sicherheit, die die Ukraine nicht weniger für sich beansprucht als neuerdings Schweden und Finnland. Er kann nicht, weil er nicht im Mindesten über die strategische Ausgefuchstheit seines Moskauer Amtskollegen verfügt und dessen zynisches Spiel bis heute nicht begriffen hat.
Und Donald Trump will nicht, weil er nicht aus seiner krämerseligen Haut des Dealmakers herauskann, weil ihm das pure Geschäft und zählbare Dollars wichtiger sind als jeder moralische Maßstab in Bezug auf politisches Handeln. Er will nicht, weil ihm daran liegt, allen den autokratischen und sich allein mit Gewalt in Position haltenden Führergestalten zu schmeicheln, sei es dem mordbelasteten saudischen Prinzen oder dem neuen Herrscher in Syrien, die ihm ihre vergoldeten Hände reichen, zu seinem persönlichen oder zum Nutzen seiner Nation. In dieser Reihe darf dann auch Putin stehen, denn Trump wünscht sich, wie er unumwunden zugibt, in erster Linie gute Handelsbeziehungen zu Russland.
Fazit des Telefonats: Zwei mächtige Männer, die sich prächtig zu verstehen und ob ihrer Regierungskunst gegenseitig zu bewundern scheinen und die sich wie zwei Mafiabosse ihre Interessen- und Einflussgebiete abzustecken beabsichtigen.
Für die Europäer und die Ukraine entpuppt sich das Telefonat, wie schon zuvor die Istanbuler „Verhandlungen“, als Farce. Es bleibt die deprimierende Erkenntnis, dass Putin den von den USA vorgeschlagenen 30-tägigen bedingungslosen Waffenstillstand, den die Ukraine bereits akzeptiert hatte, ablehnt. Ein Vorschlag, der offensichtlich a priori nicht ernst gemeint war, da die USA auf jedes effektive Druckmittel verzichten. Stattdessen bleibt Putin bei seinen maximalen Forderungen: der Demilitarisierung der Ukraine, dem Stopp westlicher Unterstützung und den Einschränkungen der ukrainischen Souveränität. Also nichts weniger als seine Unterwerfung.
Der Krieg wird daher unvermindert weitergehen. Vielleicht fällt – ein schwacher Trost – in dieser Lage tatsächlich dem neuen Papst mehr ein als dem unfähigen und unwilligen US-Präsidenten.