
Reisenotizen aus Litauen / 2
Vilnius
Die zweite Etappe unserer Reise durch Litauen führte, vom nordöstlich gelegenen Dreiländereck Litauen-Lettland-Belarus kommend, nach Vilnius. Einige Reiseführer empfehlen für die litauische Hauptstadt eine Verweildauer von drei oder vier Tagen. Wir hatten uns lediglich eineinhalb Tage vorgenommen, denn auf dieser, unserer zweiten, auf zehn Tage angesetzten Baltikum-Reise wollten wir noch in Kaunas Station machen und vor der Rückreise einige Tage im lettischen Riga verbringen. Da wir vor einigen Jahren schon für mehrere Tage in Vilnius waren, entschieden wir uns dieses Mal für ein reduziertes Programm.
Zugestanden: Auch unter diesen Gesichtspunkten sind eineinhalb Tage, aber auch drei oder vier, definitiv zu wenig für diese Stadt – wie überhaupt für jede größere und zentrale Stadt, sofern man nicht nur die touristischen Must-sees streifen will. Vilnius aber, mit seinen rund 612.000 Einwohnerinnen und Einwohnern in der überschaubaren Größenklasse – zum Vergleich – von Städten wie Stuttgart oder Hannover, ist kulturell gesehen so vielschichtig, seine Geschichte so voller Facetten, Brüche und Abgründe, dass man in Wochen, eher Monaten rechnen müsste, um sich die Stadt und was in und mit ihr geschah auch nur annähernd zu erschließen. Vilnius ist wie kaum ein anderer Ort ein Zugang zu den Katastrophen, die sich besonders im vergangenen 20. Jahrhundert in Osteuropa ereigneten.
Vieles, was ich für die folgenden Reisenotizen notiert habe, ist daher auch das Ergebnis von Lektüren und durch vertiefende Internet-Recherchen im Nachgang. Es ist ein Anfang.
I.
„Vilnius ist eine Grenze, an der die russische Expansion und der europäische Geist miteinander gerungen haben. Hier ist absolut alles aufeinandergestoßen und vermengt. Vilnius ist ein gigantischer Cocktail, gemixt von den wahnsinnigen Göttern des Nebels. Wenn eine Stadt allein, ohne Menschen, existieren könnte, dann wäre Vilnius die Stadt aller Städte.
(…)
Es ist unmöglich zu verstehen, was Vilnius ist. An Vilnius kann man nur glauben oder nicht glauben. An es zu glauben ist schwer, ich weiß, dass es schwer ist. Selbst ich bin zuweilen unfähig zu begreifen, dass diese exemplarische Zementblock-Baracken-Geometrie, dieses am Rauch erstickende, scheppernde Konzentrationslager mein Vilnius ist. Dass diese ziellos umherirrenden Gespenster, die nicht begreifen, dass die Überreste ihrer Seelen von Stacheldraht umgeben sind, Vilniuser sein sollen. Nicht jeder wird unter armseligen Lumpen einen echten Körper erkennen, nicht jeder wird am Vilnius glauben.
(…)
Wenn du dich gut hineinhörst, kannst du an den Ufern der Neris die Namen aller dahingegangenen Litauer vernehmen. Jener, die vor sechshundert Jahren durch die Hand der Kreuzritter gefallen sind, und jener, die von den Russen vor dreißig Jahren nach Sibirien gebracht wurden. Nur hier ist die Chronik von Vilnius erhalten geblieben.
(…)
In Vilnius gehen die Geister der litauischen Großfürsten um, sie grüßen Bekannte, sprechen junge Mädchen an und drängeln sich missmutig an den Trolleybushaltestellen. Hier hängen die Gerüche der polnischen Zeiten in der Luft und vermengen sich mit den Gerüchen von Feuersbrünsten und Pestepidemien und dem banalen Gestank von schlechtem Benzin. Hier heult der Eiserne Wolf, ruft schauerlich um Hilfe.“
(…)
Vilnius ist eine Geisterstadt, eine Halluzination. Man kann es sich nicht erträumen oder vorstellen – es ist selbst ein Traum oder ein Phantasiegebilde. (…) Hier kannst du unerwartet einem Gestorbenen begegnen, zu Tode gefoltert von der Gestapo oder vom KGB, der unablässig den Namen des Verräters wiederholt, und niemand will ihn hören.“
Ričardas Gavelis, Vilnius Poker
„Es gibt Städte, denen auf dem Weg der Orts- und Reisebeschreibungen nicht beizukommen ist. Das Wissen über sie steht nicht in Reiseführern, sondern in Prozeßdokumenten, Aufzeichnungen verbrannter Menschen, nie abgeschickten Briefen. Wilna ist so eine Stadt.“
Karl Schlögel, Das Wunder von Nishnij oder Die Rückkehr der Städte
II.
Wir lassen, nach einer kurzen Kaffeepause, Ignalina hinter uns und fahren weiter Richtung Vilnius, parallel zur belarussischen Grenze. Auf der gut ausgebauten Straße erreichen wir, öfter schneidig überholt von einem eiligen einheimischen Fahrer, die litauische Hauptstadt in eineinhalb Stunden. Vorbei an einigen nüchtern wirkenden, Vorstädten nähern wir uns von Nordosten kommend der Altstadt.
Das Hotel hatten wir tags zuvor über eine Online-Plattform gebucht. Eine blinde, aber gute Wahl, wie sich herausstellt, denn es befindet sich vis à vis des „Tors der Morgenröte“ (Aušros Vartų), eines direkten Zugangs zu den historischen Quartieren.
Ein erster Gang führt uns durch dieses Tor, das oberhalb des Torbogens eine Kapelle beherbergt. In ihr befindet sich eine Ikone der Heiligen Jungfrau Maria, die von vielen Gläubigen aus Litauen und von Wallfahrern, vor allem aus Polen, aufgesucht wird. Das große, von der Straße der Altstadtseite her durch eine Fensterscheibe sichtbare Marien-Gemälde ist zum großen Teil mit Silber und Gold bedeckt, sodass nur Gesicht und Hände Marias zu sehen sind. Aufgrund seiner dunklen Farben, die an byzantinischen Ikonen erinnern, wurde verschiedentlich, vor allem von russischer Seite, behauptet, das Gemälde sei orthodox und nicht römisch-katholisch. Die Wände rechts und links der Ikone sind mit aus Silber getriebenen Votiv-Gaben behängt.
Einer Legende nach soll die Gottesmutter vom „Tor der Morgenröte“ im Jahr 1702, als Vilnius im Großen Nordischen Krieg von der schwedischen Armee erobert wurde, ihrem Volk zu Hilfe gekommen sein. Im Morgengrauen fielen die schweren eisernen Stadttore und erdrückten vier schwedische Soldaten. Daraufhin sei der polnisch-litauischen Armee ein erfolgreicher Gegenangriff in der Nähe des Tores gelungen.
Es ist der Tag nach dem Tod Papst Franziskus‘, als wir durch das Tor gehen. Am Eingang zur Kapelle sind einige Blumensträuße niedergelegt. Eine größere Gruppe Jugendlicher kommt uns entgegen, die sich auf den Weg zur Kapelle gemacht hat.
Karl Schlögel benennt in seinem 1991 erschienenen Buch „Das Wunder von Nishnij oder Die Rückkehr der Städte“, auf das mich Ernst Köhler nach der Rückkunft aus Litauen aufmerksam gemacht hat, die Stadt abwechselnd bei ihren drei historischen Namen: neben dem litauischen Vilnius auch das polnische Wilno und das im Deutschen verwandte Wilna.
Der Name Wilna war auch im Jahr 1988 bei uns gebräuchlich, als Schlögel den Text erstmals publizierte. Drei Jahre später, im Jahr der Loslösung Litauens von der Sowjetunion, nahm er den Text als Kapitel in das Buch auf und gab dem Kapitel die Überschrift:
„Wilna – Horror einer schönen Stadt“.
Wir sehen an diesem späten Nachmittag nur die Schönheit, gehen vorbei an prächtigen barocken und klassizistischen Fassaden, an den vielen Kirchen und Klostergebäuden, wir schlendern kreuz und quer durch die engen und verwinkelten Gassen, linker Hand das Universitätsgelände und das jüdische Viertel, anschließend über den weiten Rathausplatz.
Auf einem großen mit Kamera ausgerüsteten Bildschirm, einer Art digitalem Tor, kann in Echtzeit ein Blick auf einen Platz in einem anderen Land geworfen werden, während man selbst dort zu sehen ist. Kleine Gruppen bilden sich hüben und drüben vor der „Portal“ genannten Installation, es wird gewunken, manchen vollführen tänzerische Bewegungen, senden so Grüße an einen fernen Ort in Großbritannien, Portugal, Polen und den USA.
An diesem Nachmittag des 22. April ist es sommerlich warm, der Himmel wolkenlos. Auf der stark frequentierten Pilies gatve sind die Tische vor den vielen Bars und Restaurants gut besetzt, es herrscht ein mediterranes Flair. Die Geschäfte sind mit Waren vom bunten Kitsch bis zu hochwertigem Bernsteinschmuck und teurer Mode aus Leinen ganz auf die Touristen eingestellt. Auch hier erinnern kyrillische Buchstaben daran, dass Gäste aus Russland bis vor Kurzem noch willkommen waren.
Eine kleine Brücke führt über die Vilnia, ein kleiner Nebefluss der Neris, von dem die Stadt ihren Namen ableitet. Über diesen Zugang kommen wir in den von der Vilna in einer großen Schlaufe umflossenen Stadtteil Užupis. Der Name bedeutet „jenseits des Flusses“ (Litauische už = hinter, upė = Fluss), er erinnert lautlich ein wenig an „Utopia“.
Užupis war früher mehrheitlich von Juden bewohnt. Nach der Unabhängigkeit wurde das Quartier zu einem Anziehungspunkt für (Lebens-)Künstlerinnen und Künstler. Wie überall sind aber auch hier in den letzten Jahren die Immobilienpreise kräftig gestiegen, so dass sich nicht jeder Traum von einem alternativen Leben mehr realisieren oder halten lässt. Menschen mit geringerem Einkommen mussten Užupis verlassen, manches Projekt beendet werden. Die aus westeuropäischen Großstädten bekannte Gentrifizierung und eine kommerzielle Ausrichtung auf den Tourismus machen sich auch hier bemerkbar.
In einem neben der Vilnia gelegenen Biergarten legen wir eine Pause ein. Am Nebentisch sitzt eine lebhafte Gruppe Deutscher, junge Männer und ein paar Frauen in Jeans und T-Shirt. Sie als Touristen zu taxieren, stellt sich als falsch heraus. Aus den Sätzen, die wir aufschnappen, entnehmen wir, dass sie zum Vorauskommando der deutschen Brigade gehören, die bis September 2025 mit bis zu 5.000 Soldatinnen und Soldaten in Litauen stationiert werden soll.
Navid Kermani hält in seinem Buch „Entlang den Gräben“, auf das mich Patrick van Odijk hinwies, fest, dass Vilnius im 20. Jahrhundert insgesamt 13-mal die nationale Zugehörigkeit gewechselt habe: Die Stadt gehörte vor dem Ersten Weltkrieg zum zaristischen Russischen Reich, wurde infolge des Krieges abwechselnd polnisch und russisch besetzt und nach 1918 bzw. 1920 erstmals Hauptstadt eines unabhängigen Litauens; sie wurde im darauffolgenden Polnisch-litauischen Krieg wieder zu einem Teil Polens, aufgrund des Hitler-Stalin-Pakts von 1939 sowjetisch, nun aber der litauischen Teilrepublik zugeschlagen, durch den Angriff Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion deutsch besetzt, dann wieder von der Roten Armee zurückerobert und infolgedessen erneut sowjetisch, schließlich 1991 Hauptstadt des aus der Sowjetunion ausgetretenen, erneut unabhängigen Litauens.
Rund vierzig Kilometer von der belarussischen und damit von der Moskauer Einflusszone sowie rund 130 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt, ist Vilnius von dieser wechselvollen Geschichte geprägt. Die vielfachen kulturellen Einflüsse sind in der städtischen Topographie ablesbar. Die scheinbar ruhige Lage an der Peripherie, die die Stadt in der jeweiligen geopolitischen Situation und in ihrer ungewollten Zugehörigkeit zum russischen bzw. sowjetischen und deutschen Machtbereich hatte, steht im Gegensatz zur Brutalität, die vor allem in den Phasen der jeweiligen Übergänge herrschte und die die drei baltischen Staaten, wie auch Belarus und die Ukraine, besonders heftig traf. Timothy Snyder hat diesen historischen Prozess in seinem Buch „Bloodlands“ eingehend beschrieben.
Nichts davon nimmt man allerdings auf den ersten Blick wahr, das moderne Vilnius präsentiert sich heute als junge Stadt mit florierenden Hochschulen und inzwischen bestens eingestellt auf den Geschmack des internationalen Tourismus. Es gibt jedoch auch Orte, die das Grauen des 20. Jahrhunderts wie nur wenige auf dem Kontinent konserviert haben.
III.
»Litauen wird weiter existieren, aber ohne Litauer, und es wird sowjetisch sein.“
Michail Andrejewitsch Suslow (1902 – 1982), von 1944 bis 1946 Vorsitzender des Büros des Zentralkomitees für Litauen, ab 1947 bis zu seinem Tode im Jahr 1982 Sekretär des Zentralkomitees der KPdSU.
Am folgenden Tag besuchen wir das „Museum der Okkupationen und Freiheitskämpfe“ (litauisch: „Okupacijų ir laisvės kovų muziejus“). Schon bei unserem ersten Aufenthalt in Vilnius im Jahr 2008 hatten wir die in dem zentral an der Prachtstraße Gedimino prospektas (zu sowjetischer Zeit Lenin prospektas), nicht weit vom Parlament, dem Seimas, entfernt gelegene Ausstellung besichtigt. Damals firmierte das Haus noch unter dem Namen „Museum der Opfer des Genozids“ (litauisch: „Genocido aukų muziejus“).
Der Name des Museums, sein Bezug zum Begriff „Genozid“, verwunderte uns damals. Das Museum war im Wesentlichen der massiven Unterdrückung der litauischen Bevölkerung und ihrem Widerstand gegen die sowjetrussische, dann nazi-deutsche und schließliche wieder sowjetrussische Besetzung bzw. Annektierung gewidmet. Es ging also um die Auslöschung der staatlichen Unabhängigkeit sowie der zigtausendfachen Deportation von Litauerinnen und Litauern. Konnte und durfte man das als „Genozid“ interpretieren, so fragten wir uns damals, zumal der Verfolgung und Ermordung der Juden in Litauen kein einziger Ausstellungsbereich, kein einziges Exponat gewidmet war, es noch nicht einmal einen Hinweis gab?
Der Name „Museum der Opfer des Genozids“ wurde offiziell bis 2018 beibehalten. Die Namensänderung in „Museum der Okkupationen und Freiheitskämpfe“ geht auf Diskussionen und internationalen Druck zurück, die das Fehlen jedweden Hinweises auf nationalsozialistischen Verbrechen, bei denen über 90 % der jüdischen Bevölkerung Litauens sowie tausende ins Baltikum Verschleppte ermordet wurden, und auch auf die Beteiligung litauischer Kollaborateure daran kritisierten.
Die Umbenennung erfolgte nicht mit letzter Konsequenz. So finden sich in den Straßen von Vilnius auch heute noch Hinweisschilder, die den alten Namen tragen. Bei den Einheimischen wird es zudem noch oft als „KGB-Museum“ bezeichnet.
Dass die Litauer insbesondere die Zeit unter sowjetscher Herrschaft, besonders nach Ende des Zweiten Weltkriegs, als Genozid empfanden und explizit so bezeichneten, war jedoch eine Erfahrung, die mich in den darauffolgenden Jahren in der Auseinandersetzung mit der osteuropäischen Geschichte begleitete. Gerade in diesem Zusammenhang waren die verschiedenen Beiträge von Timothy Snyder, vor allem das bereits erwähnte Buch „Bloodlands“, besonders aufschlussreich.
Das Zitat des langjährigen und führenden ZK-Mitglieds Suslow zu Anfang dieses Abschnitts scheint diese litauische Sichtweise zu bestätigen. Man kann den Satz auch im Zusammenhang mit der von der sowjetischen Führung angestrebten Herausbildung eines „neuen Menschen“ interpretieren, eines „Sowjetmenschen“, der – ganz im Sinne eines ideologisch verfälschten und verstümmelten Karl Marx‘ – die Nationen und vor allem den Nationalismus hinter sich zu lassen habe.
Wie es sich jedoch für die unterschiedlichen Volksgruppen, Regionen und Teilrepubliken der real existierenden Sowjetunion bis zu deren Ende darstellte, war das glänzende und allmächtige Zentrum des neuen, vorgeblich übernationalen staatlichen Gebildes Moskau, und die Sprache, die dort gesprochen wurde, war Russisch. Für viele nichtrussische Bürgerinnen und Bürgern der Sowjetunion war dieser Staat nichts anderes als ein russisches Imperium, in welchem die kleineren Nationen letztlich zum Untergang bestimmt waren oder allenfalls als folkloristisches Dekor geduldet werden konnten. Für sie war es die Fortsetzung des unter Zar Iwan dem Schrecklichen begonnenen russischen Imperialismus.
Das stattliche Gebäude, indem sich das Museum befindet und auf dessen Fassade die Namen heute vieler seiner Opfer eingraviert sind, diente zunächst dem sowjetischen Inlandsgeheimdienst NKWD. Nach dem Überfall Nazi-Deutschlands auf die Sowjetunion schlug die Gestapo dort ihr Hauptquartier auf, von wo aus in Zusammenarbeit mit dem Sicherheitsdienst (SD) und litauischen Kollaborateuren die Verfolgung und Ermordung insbesondere der jüdischen Bevölkerung organisiert wurde. Transporte führten ins nahe gelegene Ponary (Paneriai), einer in einem Waldgebiet nahe Vilnius gelegenen Erschießungsstätte, auf der zwischen 1941 und 1944 etwa 70.000 Menschen umgebracht wurden.
In dem Haus residierte unter anderem Martin Weiß (1903 – 1984), ein deutscher, in Karlsruhe geborener SS-Hauptscharführer und Angehöriger des Einsatzkommandos 3, später Kommandeur der Sicherheitspolizei und des SD Litauen. Er wurde 1950 in Würzburg wegen Beihilfe zum Mord an mindestens 30.000 Juden sowie mehrfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. 1971 setzte das bayerische Justizministerium die Reststrafe zur Bewährung aus, 1977 wurde sie Weiß auf dem Gnadenweg ganz erlassen. Vor dem Nürnberger Kriegsverbrecherprozess hatte vor allem Abraham Suzkever (1913 – 2010), ein international bekannter Dichter des Jiddischen, gegen ihn ausgesagt und die Morde bezeugt.
Karl Schlögel hält fest:
„Von den 80.000 Juden, die in Wilna vor der deutschen Besetzung gelebt hatten, waren nach dem Krieg noch ungefähr 600 übrig. Abraham Suzkever war einer von ihnen.“
Die Nazi-Kommandeure im Baltikum, vor allem in Litauen, dessen Bevölkerung vor der deutschen Besetzung zu einem Drittel jüdisch war, waren besonders ehrgeizig. Noch ehe die von den Nazis so genannte „Endlösung der Judenfrage“ in den Konzentrations- und Vernichtungslagern auf Hochtouren kam, erfüllten sie in diesem, von der Mitte Europas und vor allem der westlichen Welt aus gesehen abgelegen Raum in vorauseilendem Gehorsam den mörderischen Auftrag Hitlers und Himmlers nahezu perfekt. Nirgends arbeitete der aus Gestapo, SS, SD, Sonderkommandos, Einsatzgruppen und Polizei zusammengefügte Apparat zum Zweck des Genozids so effizient.
Nach der Rückeroberung Litauens durch die Sowjetunion übernahmen die Nachfolgeorganisationen des NKWD das Gebäude. Zuletzt diente es dem KGB für Verhöre, Folterungen und Hinrichtungen politischer Gegner. Auch wurde dort der Abtransport vieler Gefangener in den Gulag organisiert und vorgenommen.
Das Museum wurde am 1992, also kurze Zeit nach der Unabhängigkeit Litauens, eröffnet. Das Gebäude ist, mit Büros, Verhör- und Folterräumen, Gefangenenzellen, der Hinrichtungsstätte, weitgehend in dem Zustand geblieben, den der KGB samt Aktenstücken und Apparaturen hinterlassen hat. Manches hat die Patina einer öden Verwaltung, schmucklose Schränke und Schreibtische mit Bürogarnituren, Unterschriftenmappen und Stempelkissen, manches atmet die unendliche Angst, den diejenigen gehabt haben mussten, die hier ihren Vernehmern und Folterern ausgeliefert waren. Ein fensterloses Kabuff, kleiner als eine Telefonzelle, diente dazu, neu zugeführte Gefangene in den ersten Stunden festzuhalten, einzuschüchtern und zu demütigen.
Der Ausstellungsbereich ist inzwischen größer als bei unserem ersten Besuch. Nun kann man auch in den rückwärtigen Trakt des Gebäudekomplexes gehen, wo im Hof-Karree käfigartige, steinerne Gevierte aufgebaut wurden. In den Nach-Stalin-Zeit war es den Gefangenen vergönnt, dort einige Minuten am Tag im Freien zu sein und ein Stück Himmel zu sehen.
Ein Raum im oberen Geschoss des Vorderhauses erinnert nun auch an die Verfolgung und Ermordung der Juden in Litauen. Die Informationstafeln, in der ganzen Einrichtung neben Litauisch meist auch auf Englisch, sind an dieser Stelle jedoch spärlich.
Ganz im Gegensatz hierzu wird in mehreren Räumen des unteren Geschosses sehr ausführlich über den litauischen Widerstand informiert, vor allem über die „Waldbrüder“ genannten Partisaninnen und Partisanen, die sich schon während der Nazi-Zeit in die Tiefe der Wälder zurückgezogen hatten und auch nach dem Zweiten Weltkrieg, bis in die 1950er Jahre hinein, für die Unabhängigkeit Litauens kämpften.
Nichts weist indessen darauf hin, dass es den Nazis gelungen war, auch litauische Partisanen mit mehr oder weniger Druck in die gegen die Juden gerichteten Vernichtungsaktionen einzubeziehen. In Wort und Bild wird hingegen dargestellt, wie barbarisch die Sowjetmacht mit getöteten, vor allem männlichen Partisanen umging: Manche wurden entkleidet, teilweise kastriert und die Augen ausgestochen, die Leichname dann zur Abschreckung der Bevölkerung an öffentlichen Plätzen ausgestellt.
Ein Raum dokumentiert die Verfolgung von Priestern und Bischöfen der römisch-katholischen Kirche Litauens. Papst Franziskus besuchte 2018 diese Gedenkstätte, der, wie er sagte, für ihn bewegendste Moment seines Besuches in den drei baltischen Staaten.
Im Nachgang
Wenige Wochen nach der Litauen-Reise entdeckte ich in einer Buchhandlung den 2024 auf Deutsch erschienen Roman „Vilnius Poker“ des bei uns weitgehend unbekannten litauischen Schriftstellers Ričardas Gavelis (1950 – 2002). Das Buch erschien in Litauen kurz vor der Loslösung von der Sowjetunion. Es ist das sprachmächtige Zeugnis einer – weitgehend aus der Ich-Perspektive des Protagonisten Vytautas Vargalis beschriebenen – vor Schmerz und Ekel getriebenen, bitter-sarkastischen Wut über die Martyrien und Entstellungen, denen Litauen im 20. Jahrhundert ausgesetzt war. Sie gilt vor allem dem halben Jahrhundert sowjetischer Herrschaft nach dem Zweiten Weltkrieg, der terroristischen Zeit Stalins und der bleiernen Zeit Brechnews.
„Vilnius Poker“ ist geschrieben vor dem Hintergrund dessen, was das „Museum der Okkupationen und Freiheitskämpfe“ den Besucherinnen und Besuchern in Form seiner Räume und Exponate präsentiert. Der knapp 700-seitige, sensibel und sachkundig ins Deutsche übertragene Roman kann ohne Weiteres als überbordende Streitschrift für die These des Genozids an der litauischen Nation, seiner Sprache und Kultur, aber auch seiner Menschen gelesen werden.
Inhalt des Textes ist ein morbides Narrativ im Stil des phantastischen Realismus, ein geisterbahnhafter Tripp durch die derangierte Ober- und die bizarre Unterwelt der Stadt, durchsetzt mit satirischen und Elementen eines Psycho-Thrillers, überhöht durch Motive und Figuren aus der Sphäre litauischer Mythen und Legenden.
In diesem Roman, aus dem ich für diesen Beitrag einige Zitate entnommen habe, erscheint an einer Stelle plötzlich und wie ein Traumgebilde eine zerlumpte Gestalt und sagt:
„Ich bin ein alter Vilniuser Jude … Meine Urgroßeltern waren Berater von Gedeminas und Vytautas (litauische Großfürsten; PC). Meine Großeltern haben unter den russischen Pogromen gelitten, und meine Eltern haben die Polen hereingelegt … Oi, wie sie die Polen hereingelegt haben! … Ich selbst habe im Ghetto gelebt und bin dort gestorben! Ja,ja! Ich weiß alles über Vilnius! Ja, ja … Hören Sie mir zu, ein alter Jude weiß alles. Ein alter Jude weiß mehr als alle Litauer zusammen … Aber einem Litauer kann er es sagen, der Litauer hat den Juden nicht geschlagen, er hat keine Pogrome veranstaltet und ihn nicht ins Ghetto getrieben …“
Die Übersetzerin Claudia Sinnig bemerkt hierzu in den Erläuterungen:
„Zur Entstehungszeit von ‚Vilnius Poker‘, d. h. in den Jahren 1979 bis 1987, scheint Gavelis, so wie die überwältigende Mehrheit der Bewohner Sowjetlitauens, der romantischen, idealisierten Vorstellung angehangen zu haben, dass Litauer – abgesehen von wenigen Nazi-Kollaborateuren (die sich zudem davor und danach oft den Sowjets angedient hatte) – am Holocaust im Allgemeinen nicht beteiligt waren; dies vermutlich aus Mangel an verlässlichen Informationen und als Abwehrrektion auf die Sowjetpropaganda, die von jeher ihre Gegner als ‚Faschisten‘ diffamiert hat. In seinem 1993 verfassten Roman ‚Vilniaus Džiazas‘ (‚Vilnius Jazz‘) thematisiert Gavelis bereits die (damals noch verbreitete) Verdrängung oder Leugnung von litauischen Kollaborateuren bei den Nazi-Verbrechen.“
Karl Schlögel zieht in seinem Text von 1988 eine schonungslose Bilanz:
„Am 24. Juni 1941 hatten die Deutschen die Hakenkreuzfahne auf dem Schloßberg gehißt, wenige Tage danach wurden die Juden von der Straße weg für Zwangsarbeit gefangen oder erschlagen. Am 31. August umzingelten Deutsche, unterstützt von Litauern, das Viertel, (…), wo im 16. Und 17. Jahrhundert das Ghetto war. Am 6. September wurde das zweite Ghetto eingerichtet. (…) Wo in den schlimmsten Zeiten des Mittelalters fünftausend Menschen untergebracht waren, waren nun elftausend eingepfercht. (…) Wer nicht im Lukischki-Gefängnis untergebracht wurde, wurde durch die Stadt zum Bahnhof getrieben. Von dort fuhren die Züge in das nur wenige Kilometer entfernt liegende, von Föhrenwäldern bewachsene Sandgelände von Ponary. Ende 1941 war eines der Ghettos bereits aufgelöst, über 50.000 jüdische Einwohner Wilnas waren vernichtet worden.“
Ebenso schonungslos die Bilanz, die Karl Schlögel im Hinblick darauf, was nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in und Vilnius geschah, zieht:
„Die Zerstörung der Stadt war mit der Vertreibung der Deutschen nicht zu Ende. Die städtische Synagoge fiel den Sprengkommandos der Erbauer der neuen Hauptstadt zum Opfer, der jüdische Friedhof in Saretschje den Planern des modernen Vilnius, (…) das Jüdische Museum, das die Überlebenden und Zurückgekehrten schon 1944 in der Straschuna-Straße 6 eingerichtet hatten, wird 1949 geschlossen. Das Denkmal, das die überlebenden Juden Wilnas in Ponary 1945 errichteten, wird 1952 beseitigt, und das neue Mahnmal erinnert an die Opfer des Faschismus nur noch in russischer und litauischer Sprache (…)“
Vilnius wurde einst aufgrund seines hohen jüdischen Bevölkerungsanteils und dem vielfältigen jüdischen Geistesleben das „Jerusalem des Ostens“ genannt. Dieses Vilnius existiert nicht mehr. Karl Schlögel mahnt gegen Ende des zitierten Kapitels:
„Doch das Vilnius der Gegenwart wird kein angemessenes Bild von sich haben können, wenn es von der Größe und der Tragödie der Wilnoer Judenheit (…) nichts wissen will.“
IV.
„Die Stadtbürger sprachen entweder Polnisch oder Jiddisch; Litauisch, Weißrussisch und Russisch wurde nur von wenigen gesprochen. (…) Im Kreis Wilna herrschte der römische Katholizismus vor, den zweiten Platz nahm die jüdische Religion ein. Andere, weniger zahlreiche Gruppen gaben dem Leben dort den malerischen Einschlag.“
Czesław Miłosz, zitiert nach Karl Schlögel
„Wie im ehemaligen deutschen Breslau kein Deutsch mehr gesprochen wird, ist aus Vilnius – dem Herzen der polnischen Nationalromantik und Heimat des polnischen Literaturnobelpreisträgers Czesław Miłosz – das Polnische verschwunden. Und wo einmal das ‚Jerusalem des Ostens‘ war, ist das Jüdische ausgelöscht. Auch in Vilnius, wie in so vielen Städten Osteuropas, hörte das Leben auf und geht doch weiter.“
Navid Kermani, Entlang den Gräben
Am Abend sind wir mit F. verabredet, der älteren Tochter unserer Gastgeber in Zarasai. Wir treffen uns am Kampanile der Stanislaus-Kathedrale, unweit des großen Denkmals von Großfürst Gedeminas, dem der Legende nach im Traum ein eiserner Wolf erschienen sei, auf dessen Geheiß er Vilnius an dieser Stelle gegründet habe. Unter seiner Herrschaft kommen erstmals christliche Mönche ins Land. Zusammen mit F. gehen wir den nach ihm benannten Gedimino prospektas entlang und finden einen Tisch auf der Terrasse eines Restaurants.
Die Bürgersteige des Gedimino prospektas sind sehr belebt, einzelne Flaneure, Paare und kleine Gruppen genießen die frühsommerliche und lockere Atmosphäre. Um einen Straßenmusiker hat sich eine Menschentraube gebildet. Auf der Fahrbahn sind zahlreiche Autoposer unterwegs, die die getunten Motoren ihrer Autos laut und mit knallenden Auspuffaggregaten aufheulen lassen. Ein besonders auffälliges, orangefarbenes Fahrzeug fährt immer wieder an unserer Terrasse vorbei, wobei der Fahrer jedes Mal aus dem Schleichgang heraus kräftig beschleunigt. Zurückhaltender benehmen sich die Fahrer der Luxusmarken und voluminösen SUVs, die es eher darauf anlegen, durch langsames Kutschieren auf sich aufmerksam zu machen. Eine schwarze Stretchlimousine rollt vorbei, aus den heruntergelassenen Seitenfenstern schallt laute House-Musik und das aufgekratzte Lachen von Jugendlichen. Der Gedimino prospektas ist zu einer perfekten Kopie der neureichen Rituale westlicher Metropolen geworden.
F. erzählt von ihrer neuen Arbeit im medizinischen Labor. Und sie offenbart uns, warum sie die Stelle im Krankenhaus aufgegeben hat. Es sei Mobbing gewesen, gegen das sie sich nicht wehren konnte. Es habe sich dort das fortgesetzt, was sie auch in ihrer Schulzeit durchlitten habe. Auch dort sei sie immer wieder von Mitschülerinnen und Mitschülern gemobbt worden. Wir versuchen, das Thema sehr pragmatisch anzugehen, geben Ratschläge, wie sie die Zudringlichkeiten von Kolleginnen und Kollegen besser parieren könnte. Sie nimmt es freundlich entgegen, versichert, dass sich ihre Situation gebessert habe. Der Motorenlärm unterbricht immer wieder unser Gespräch.
Uns scheint, als stehe die exaltierte Lebendigkeit um uns herum, dieser urbane, auch vulgäre Exhibitionismus in scharfem Kontrast zu der Melancholie, die die stille F. ausstrahlt. Aber vielleicht ist es genau diese Stadt mit ihren vielen Facetten, dieser Mischung aus einer reichen, vielschichtigen, abgründigen Geschichte und einer pulsierenden, an westlichen Standards orientierten Moderne, die F. aus dem Gefühl der Tristesse der kleinen, abgelegenen Stadt ihrer Herkunft befreien kann. F. möchte in Litauen bleiben, ihre jüngere Schwester M. dagegen spielt mit dem Gedanken, zum Studium nach Westeuropa zu gehen.
Im Nachgang
Navid Kermani spürt diesem Thema im Vilnius-Kapitel seines Buches nach. Eine Partie ins ländliche Umland beschreibend, führt er aus:
„‘Die Selbstmordrate ist hier die höchste in Europa und Alkoholismus Volkskrankheit Nummer eins‘, wirft der Fahrer ein, als ich seufze, wie idyllisch die Landschaft sei. Führen wir noch zwei, drei Stunden weiter, wäre sie wirklich ausgestorben, fügt er hinzu; im Umkreis von Vilnius wohnten immerhin noch Pendler. Nicht etwa die Integration, sondern die Auswanderer stellen Litauen vor ein gewaltiges Problem; nach offiziellen Angaben haben siebenhunderttausend Litauer ihr Land seit der Unabhängigkeit verlassen, inoffiziell deutlich mehr und vor allem junge Leute, bei einer Bevölkerung von nicht einmal drei Millionen.“
Navid Kermani, Entlang den Gräben
Kermanis Text wurde 2018 veröffentlicht. Während unserer kurzen Reise durch Litauen hörten wir mehrfach, dass einige Litauer sich um Immobilien in Westeuropa bemühen. Manchen möchten auch ihr hiesiges Wohneigentum verkaufen. Grund ist unzweifelhaft die Angst vor einer Aggression Russlands gegen das Baltikum.
V.
„Jeder Litauer müsste jeden Tag eine verlassene, geschändete Kirche besuchen. Es ist ein Spiegelbild unserer Seele: Die Überreste unserer vergangenen Größe, zusammen mit Abfall, Trümmern und Staub.“
Ričardas Gavelis, Vilnius Poker
Auf dem Weg zurück ins Hotel überqueren wir noch einmal den großen Platz an der Kasimir-Kathedrale, sehen die Statue des Gediminas mit dem Helm auf dem Kopf und dem Schwert in der Hand, hinter sich sein gesatteltes Pferd.
In der abendlichen Dunkelheit sehen wir eine Nonne allein vor dem „Tor der Morgenröte“ stehen. Die Hände gefaltet, ist ihr Blick nach oben gerichtet, durch das Fenster der Kapelle über dem Torbogen ist die beleuchtete Marien-Ikone zu sehen. In Rom laufen die Vorbereitungen für das Konklave.
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Zitierte Literatur und Texte
Ričardas Gavelis, Vilnius Poker, übersetzt von Claudia Sinnig, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2024, ISBN 978-3-10-397578-9
Karl Schlögel, Das Wunder von Nishnij oder Die Rückkehr der Städte. Berichte und Essays, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-8218-4077-3.
Navid Kermani, Entlang den Gräben. Eine Reise durch das östliche Europa bis nach Isfahan, Verlag C.H. Beck, München 2018, ISBN 978-3-406-71402-3.
Timothy Snyder, Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin, übersetzt von Martin Richter, Verlag C.H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-62184-0
Der Schutz von Vilnius, der Schutz von Berlin, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.05.2025
Peter Conzelmann, Der amputierte Marx, auf diesem Blog unter https://www.zeitenwende.online/2025/02/27/der-amputierte-marx/
Weiterführende Literatur
Abraham Sutzkever, Wilner Getto 1941–1944, übersetzt von Hubert Witt, Ammann Verlag, Zürich 2009, ISBN 978-3-250-10530-5
Mark Mazower, Hitlers Imperium. Europa unter der Herrschaft des Nationalsozialismus, übersetzt von Martin Richter, Verlag C.H.Beck, München 2009, ISBN 3-406-59271-6
Abbildung: Detail von der Fassade des „Museums der Okkupationen und Freiheitskämpfe“ mit Namen von in dem Gebäude getöteter Litauerinnen und Litauer
Herbert Lippenberger
9.6.2025, 16:25
Vielen Dank bester Peter!
Deine Beobachtungen und die von Dir sehr passend zitierte Literatur zeigen die schiere Unmöglichkeit, in diese europäischen Landschaft alle historischen Schichten gleichberechtigt ans Licht der Nachwelt zu bringen.
Und die Autoposer sowie das Voraus-Detechment der nach viel Bemühungen von baltischen Seite nun eingetroffenen Bundeswehr machen die Dramatik und Janusköpfigkeit in dieser Region Europas nochmals in bizzarer Weise deutlich.
Da kann ich in meiner burgundischen Wahlheimat problemlos von den Galliern bis zur Gegenwart blicken – es gibt auf den ersten Blick wenig wirklich dunkle Orte – und ganz in meiner Nähe an der Loire landete sogar Jean Moulin, der Führer der Resistance, der allerdings nach Verrat aus den eigenen Reihen dann von Claus Barbie in Lyon zu Tode gefoltert wurde.
Aber die Landschaften Europas sind erschreckend anders geartet – darum meinen Dank für Deinen Reisebericht aus dem Baltikum!
Herbert Lippenberger
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