Scheindemokratie

Peter Conzelmann

Donald Trump hat es wieder einmal geschafft. Sein im inzwischen der Weltöffentlichkeit leidlich bekannten, kindisch-überzogenen MAGA-Idiom so bezeichnetes „Big beautiful bill“, ein grundlegendes Steuergesetz, passierte am 3. Juli und damit, wie von ihm gewünscht, rechtzeitig, nämlich exakt einen Tag vor dem US-Nationalfeiertag „4th of July“, das Repräsentantenhaus. Somit kann er, denn er liebt solche symbolträchtigen Spektakel, das Gesetz genau an diesem Tag unterzeichnen. Die ihn umgebenden, speichelleckerischen Medien werden es entsprechend zu inszenieren wissen.

In der Volksvertretung sind die Mehrheitsverhältnisse zugunsten des amtierenden US-Präsidenten sehr knapp. Wenige Gegenstimmen aus dem Lager der Republikaner – und diese gab es – hätten daher genügt, um das Gesetz aufzuhalten. Doch, wie schon so oft, griffen Trump und seine Büchsenspanner zum probaten Kampfmittel, nämlich unmittelbaren und massiven Druck auf die Handvoll Abweichler aus den eigenen Reihen auszuüben.

Das Drohpotential durch öffentlich geäußerte Beleidigungen, Verleumdungen und Herabwürdigungen der Betroffenen, wie gewohnt in oft vulgärster Art, sowie durch die Ankündigung nicht nur des Entzugs der Unterstützung bei anstehenden Neuwahlen, sondern der Positionierung von willfährigen Gegenkandidaten ist inzwischen so immens, dass die Republikaner im Grunde aufgehört haben, als Partei zu existieren. Wenn man unter Partei etwas verstehen will, was – bottom up – in der Repräsentation der Bürgerinnen und Bürger des Landes und in der Unabhängigkeit seiner Repräsentanten bzw. deren Gewissensfreiheit besteht und eben nicht zum reinen Machinstrument und der Willkür des einen Mannes an der Spitze mutiert.

Trump und seine Bewegung haben keinen Respekt vor den für eine Demokratie lebensnotwendigen staatlichen Institutionen. Im Gegenteil: Diese werden als Feinde der Freiheit gebrandmarkt und in atemberaubender Geschwindigkeit zerlegt und in den Staub getreten. Trump selbst hat keinerlei Hemmungen, alles und jeden aus dem Weg zu räumen, der sich ihm in den Weg stellt. Selbst den einstigen „best buddy“ Elon Musk trifft der Bannstrahl, sollte der es wagen, dagegenzuhalten wie in den letzten Tagen im Zusammenhang mit der anstehenden Gesetzesverabschiedung. Der ultralibertär gesinnte, reichste Mann der Welt hatte, wie auch andere Kritiker, unter anderem erkannt, dass das „Big beautiful bill“ den US-Haushalt aufgrund der zwangsläufigen Steigerung der Staatsverschuldung in eine gewaltige Schieflage bringen wird. Davon abgesehen, sieht Musk allerdings auch seine ureigenen geschäftlichen Interessen gefährdet.

Trump hatte einst damit geprahlt, er könne am helllichten Tag in der New Yorker 5th Avenue jemanden erschießen und es hätte keine Auswirkungen auf das Wahlverhalten der US-Bürgerinnen und Bürger. Inzwischen glaube ich das. Ein gravierendes gerichtliches Nachspiel würde er vermutlich auch nicht zu erwarten haben. Die Rechtspflege der USA wird von Trumps Regierung fast täglich umgangen, verleumdet, Richterinnen und Richter persönlich unter Druck gesetzt.

An der Stelle könnte sich ein Carl Schmitt wieder bestätigt fühlen, der mit dem Satz „Der Führer schützt das Recht“ die Morde der Nazis an ihren eigenen Leuten im Zusammenhang mit dem sogenannten „Röhm-Putsch“ mehr als nur exkulpierte. Er stellte, entsprechend seiner völkisch orientierten Rechtslehre, den Staatschef kurzerhand über das Recht.

Die USA wandeln sich, der 3. Juli 2025 legte es offen, zu einer Scheindemokratie. Was genau haben die US-Bürgerinnen und -Bürger ab diesem Jahr am „4th of July“ eigentlich noch zu feiern?

Carl Schmitt, Der Führer schützt das Recht. Zur Reichstagsrede Adolf Hitlers vom 13. Juli 1934, Deutsche Juristen-Zeitung vom 01.08.1934 (Seiten 945–950).

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