Der Zauberlehrling

Peter Conzelmann

Die Affäre um die sogenannte „Epstein-Liste“ und die Frage, ob es sie nun gibt oder nicht, verschafft der staunenden Weltöffentlichkeit einen tieferen Einblick in die MAGA-Bewegung, als es deren Herr und Meister Donald Trump lieb sein kann.

Fakt ist, dass Trump höchstselbst jahrelang damit hausieren ging und seinen Wahlkampf befeuerte, dass der Milliardär und verurteilte Sexualstraftäter Jeffrey Edward Epstein (1953 – 2019) eine Liste geführt habe, auf welcher ablesbar sei, wer alles von dessen „Diensten“ mit sexuell gefügig gemachten jungen Frauen und Mädchen profitiert habe. Trump versprach immer wieder lückenlose Aufklärung, in der Hoffnung, so das US-amerikanische Establishment zu diskreditieren, darunter Bill Clinton und einige ihm nicht gesonnene Hollywood-Stars. Im Besonderen tauchte das Motiv eines im Untergrund aktiven Pädophilen-Netzwerks immer wieder in den ultrarechten Netzwerken auf, besonders stark bei der QAnon-Bewegung, die vielfach mit der MAGA-Bewegung verbunden ist.

Behauptet wurde außerdem, dass der inhaftierte Epstein nicht Selbstmord verübt habe, sondern ermordet worden sei, deutliches Zeichen für ein finsteres Komplott eben dieses global agierenden Establishments unter Beteiligung des politischen Gegners.

Zuletzt, so wird berichtet, unter anderem am 15.07.2025 durch die britische „Times“, habe Trumps Justizministerin Pam Bondi im Sender Fox-News öffentlich verlautbart, die Epstein-Liste läge „zur Prüfung“ auf ihrem Schreibtisch.

Nun aber heißt es, es gebe eine solche Liste gar nicht. Alles sei, wie Trump auf seinem Kanal „Truth social“ verbreitet, eine Art „Hoax“, eine Falschmeldung, hinter der niemand anderes als die „radikale Linke“ stecke.

Dass ein großer Teil der MAGA-Bewegung aber die von Trump und seinem Apparat verbreitete Epstein-Story für bare Münze genommen hat und nun sich nicht nur massiv getäuscht sieht, sondern gegen diese allerneueste Wendung der Dinge auf die Barrikaden geht, hatte Trump offensichtlich nicht auf der Rechnung. Nun bleibt ihm nichts anderes übrig, als sein eigenes Lager, eigentlich den harten Kern seiner Bewegung, in welcher die von ihm und seinen Getreuen ausgestreuten Verschwörungstheorien besonders heftig anschlugen, zu besänftigen.

Trump gleicht dem Zauberlehrling in Goethes Gedicht, der der Geister, die er rief, nicht mehr Herr wird. Mit dem Unterschied: Wo besänftigen nicht ausreicht, muss und kann er den Druck bzw. die Art von Gewalt anwenden, welche sonst nur dem politischen Gegner oder Renegaten wie Elon Musk zuteilwird. Pikanterweise hatte Musk zuvor schon getönt, er wisse, dass die Epstein-Liste deswegen nicht veröffentlicht werde, weil Trumps Name selbst darauf stünde. Ganz abgesehen davon, dass Trump und Epstein, was kein Geheimnis ist, sich persönlich gut kannten.

Die Zauberkräfte seiner penetranten Lügen und Wahrheitsverdrehungen werden nicht ausreichen. Damit aber – so muss man hoffen – offenbart er sich nun auch nachhaltig vor seiner eigenen Anhängerschaft als das, was er ist: ein Lügner und Despot.

Abbildung:

Ausschnitt aus einer Illustration von Ferdinand Barth aus dem Jahr 1882 zu Johann Wolfgang von Goethes Gedicht „Der Zauberlehrling“, entstanden 1797.

  • Christina Herbert-Fischer

    13.7.2025, 19:42

    Dass es die Liste nicht geben darf, weil eben Trumps Name darauf steht, das ist Spekulation und genauso Verschwörungstheorie wie der Quatsch den QAnon verbreitet. Nur weil es so sein könnte und diese Spekulation in unser Weltbild passt, ist sie noch lange nicht wahr. Trump ist für mich ein rotes Tuch, schön, dass ihm diese plötzlich nicht vorhandene Liste jetzt Probleme macht. Ungeachtet dessen finde ich, es ist unser nicht würdig sich Spekulationen oder Vermutungen anzuschließen oder weiter zu streuen, für die es bisher keinerlei Beweis gibt. Vielleicht halten wir es für wahrscheinlich, dass eine solche Liste auch Trump selber belasten könnte, wenn sie je existiert hat. Aber suchen wir damit nicht auch nur die Bestätigung unseres Weltbildes, genau wie die QAnon Anhänger? Bei denen ist es abgedreht, die spinnen eh, aber wir sind so viel vernünftiger, bei uns ist das was anderes? Ich dachte das ist hier ein ernsthafter Block? Ich lese hier gern und hoffe sehr auf die Vernunft, aber Herr Conzelmann, so sehr ich sie als Autor schätze, das hätte nun nicht sein müssen. Ohne diesen Satz wäre der Beitrag lesenswert gewesen.

    1. Peter Conzelmann

      13.7.2025, 21:56

      Sehr geehrte Frau Herbert-Fischer, ich wollte mich keinesfalls an irgendwelchen Spekulationen über diese Liste, ob es sie gibt oder nicht und wer möglicherweise draufsteht und wer nicht draufsteht, beteiligen. Mir ging es allein um die Beschreibung, dass vom Trump-Lager erst die Existenz dieser Liste behauptet und zum Instrument des Wahlkampfes gemacht wurde, explizit, um den politischen Gegner zu diskreditieren, nun aber ihre Existenz in Abrede gestellt und das Ganze als „Hoax“ bzw. als Manöver der Linken dargestellt wird, sowie darum, dass Trump nun mit seinen eigenen Leuten – dem harten Kern der MAGA-Bewegung und seinem Ex-Berater Elon Musk – über Kreuz gerät, weil die Ersteren nun die Welt, die man ihnen vorgegaukelt hat, nicht mehr verstehen und Letzterer mit den gleichen Methoden, nämlich der drohenden Behauptung, Trump stünde selbst auf dieser Liste, vorgeht. Nur diese internen Grabenkämpfe, dieser Aufruhr im Lager der Trumpisten interessiert mich. Für mich passte das Bild vom Zauberlehrling, der die Geister, die er rief, nun nicht mehr los wird. Die FAZ urteilt in ihrer Ausgabe vom Montag, 14.07., ähnlich, wenn sie in dem Beitrag „Im Clinch mit Trumps Basis“ auf Seite 8 schreibt: „(Justizministerin Pam) Bondi und Trump spüren nun, welche Kraft Verschwörungstheorien entfalten können, die sie selbst befeuert haben.“ Freundliche Grüße, Peter Conzelmann

      Auf Peter Conzelmann antworten Abbrechen

      Ihr Kommentar wird nach Freigabe veröffentlicht

    Auf Christina Herbert-Fischer antworten Abbrechen

    Ihr Kommentar wird nach Freigabe veröffentlicht

  • Ihr Kommentar wird nach Freigabe veröffentlicht