50 Tage

Peter Conzelmann

US-Präsident Donald Trump hat ein neues Ultimatum gestellt. Er droht Russlands Handelspartnern – und damit indirekt der russischen Regierung unter Diktator Putin – mit Strafzöllen von bis zu 100 Prozent, die erhoben würden, wenn es bei den Bemühungen um ein Ende des Krieges gegen die Ukraine „binnen 50 Tagen“ keine Einigung gebe. Wie stets wurden im Vorfeld die Backen kräftig aufgeblasen und eine „wichtige Stellungnahme“ für Montag, 14. Juli, angekündigt.

Was ist davon zu halten?

Trump hat sich in den letzten Monaten, was die von Russland überfallene Ukraine angeht, mehrmals gedreht, angefangen bei seiner großmäuligen Behauptung, er würde diesen Krieg „innerhalb von 24 Stunden beenden“ können, fortgesetzt in der per Fernseh-Liveübertragung inszenierten, unsäglichen Bloßstellung des ukrainischen Präsidenten Seleskyj, den permanenten Wichtigtuereien im Rahmen seiner Telefonate mit Putin, den er mit Schmeicheleien auf öffentlicher Szene zu umgarnen versuchte, der Entsendung seines unfähigen Sonderbeauftragten Steve Witkoff, der Anberaumung sinn- und nutzloser „Verhandlungen“ in der Türkei, der Aufkündigung der Waffenlieferungen an die Ukraine, zuletzt der Ankündigung, nun doch wieder Waffen liefern zu wollen, wenn auch diese, mit Blick auf seine MAGA-Getreuen, von den Europäern zu bezahlen seien.

Wenn man Trump sich als Tänzer auf einer Bühne vorstellen wollte, so vollführt er bizarre Pirouetten. Niemand kann entschlüsseln, welche Ratschlüsse des vorgeblich mächtigsten Mannes der Erde zu welchen Ergebnissen führen, wer ihn wann und wie berät und wie überhaupt die Abstimmungsprozesse innerhalb seines Regierungsapparats funktionieren „Erratisch“ ist noch eine noch zu milde Umschreibung dieser Art von Politik. Eine Abstimmung mit der Volksvertretung im Kongress findet zudem ohnehin nicht statt.

Gibt es einen Plan? Gibt es irgendein konsistentes und belastbares Konzept, worauf die aktuelle US-amerikanische Außenpolitik beruht – außer der Mantra-mäßig wiederholten Parole „America first“? Oder sind er und sein halbseidenes Team nur getrieben von der wabernden, mit sich selbst im Clinch liegenden MAGA-Bewegung? Wie in den letzten Tagen zu vernehmen war, ist diese Bewegung deutlich verunsichert, wenn nicht hell empört, aufgrund Trumps Befehl zum militärischen Einsatz im Iran und seiner jüngsten Verlautbarung, die lange Zeit von ihm selbst behauptete und nun negierte Existenz der „Epstein-Liste“ sei ein „Hoax“.

Wie zu erfahren ist, sieht die russische Seite das neueste Trumpsche Manöver einerseits eher gelassen – man schaut dem laufend sich drehenden Tänzer auf der Bühne gerne zu – , andererseits kann man sich – denn man denkt in Moskau in jedem Fall logischer und stringenter als in Washington – keinen wirklichen Reim auf diese neue Aktion machen, nimmt sie aber, zumindest vorläufig, ernst. Es könnte ja doch und schlimmstenfalls Folgen haben.

Trump liebt es, Fristen zu setzen, insbesondere in der Zollpolitik, ähnlich den Figuren in Western-Filmen, die gerne den Colt um den Zeigefinder rotieren lassen. Die Einführung von Zöllen wird mit einer Frist versehen angedroht, dann wieder zurückgenommen, dann wieder angedroht. Die Zölle werden auf 50 % angesetzt, dann wieder reduziert, dann wieder erhöht, dann wieder ausgesetzt, dann wieder mit neuer Frist angedroht.

Wie sind nun vor allem die von Trump angekündigten 50 Tage im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg einzuschätzen? Ist es ihm ernst oder nicht? Tritt das, was er ankündigt, nach 50 Tagen tatsächlich ein oder tritt es nicht ein? Und wieso 50 Tage und nicht 40, 30, 20 oder 10 Tage? Damit sich Putin ein Ausstiegsszenario unter Gesichtswahrung überlegen kann? Oder damit innerhalb dieser 50 Tage die Dinge zwischen der ukrainischen und der russischen Seite in friedensstiftender Absicht besprochen werden können, auf die sich Putin bis jetzt keinen Millimeter eingelassen hat? Oder dass er noch 50 Tage lang jeweils hunderte von Drohnen und Raketen auf ukrainische Städte herabregnen lassen kann?

Zu befürchten ist: Bis zum Ende dieser willkürlich genannten Frist von 50 Tagen wird sich Trump noch mehrmals drehen.

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