Deutsche zur russischen Aggression: Die EIGENEN roten Linien zählen
Beim Eklat im Oval Office am 28.02.2025 schleuderte der US-Präsident Donald Trump es Selenkskij entgegen: „You are gambling with Worldwar III!“
Inzwischen ist der US-Präsident selbst am Ende seines Aussitz-„Verhandlungs“-Lateins angekommen. Timothy Snyder bringt es auf den Punkt: „Trump ist das Schaf im Wolfspelz, und die Wölfe [Putin und Xi] merken das.“ (NZZ 12.06.2025) Man kann hinzufügen: Auch Donald Trump bleibt gar nichts anderes übrig als zu merken, dass Alle es merken.
Egal, ob nun autokratisch-narzisstisch motiviert (mit dem „Handicap“ eines Autokraten, Präsident einer, wenn auch ernsthaft beschädigten, US-Demokratie zu sein) oder tatsächlich auch zumindest teilweise menschlich gerührt („I go home I tell my First Lady: ´I spoke to Vladimir today, we had a wonderful conversation‘. She said: ´Oh really? Another city was just hit‘…“, 16.07.2025) und/oder vom „Whatever it takes“ – Bundeskanzler entsprechend sachlich-freundlich bestärkt, verkauft selbst dieser US-Präsident nun aktuell Patriot-Raketen an Europa zur Unterstützung der Ukraine.
Trotzdem (bzw. zum Teil sogar auch gerade deshalb!) gibt es in Deutschland nach wie vor zumindest teilweise eine „Warnung vor der Eskalation“, die mit Ablehnung einer bedingungslosen militärischen Unterstützung der Ukraine einhergeht:
Das hat zum einen viel mit einer irrationalen Angst vor den fast täglichen „Rote-Linien-Bluffs“ des Kreml zu tun, die sich inzwischen seit Jahren als substanzlos erweisen (die Region Kursk konnte von der Ukraine sehr wohl angegriffen werden, zahlreiche schwere Bomber wurden in Russland zerstört, fast täglich greifen ukrainische Drohnen russische Militärinfrastruktur in Russland an etc. – Alles ohne sichtliche Extra-Reaktionen des Kreml).
Es hängt aber zum anderen, und das ist an dieser Stelle der zentrale Punkt, mit dem (seit Jahren) Fehlen des EIGENEN Kompass zusammen, der einem zeigt, wo die EIGENEN roten Linien sind, wenn es nicht nur um die Abwehr einer militärischen Aggression gegen die Freiheit der Ukraine, sondern auch unseres friedlichen, freiheitlichen Europas geht.
Kurz und gut, was ist uns die Freiheit der Ukraine wert – und was ist uns unsere eigene Freiheit wert? Das müssen WIR uns SELBST fragen. Das Folgende gilt deshalb für all Diejenigen von uns, denen ein Leben in Freiheit fundamental wichtig ist.
In Zeiten, in denen modisch-defätistisch über „Machtpolitik ohne Werte“ doziert wird, ist es wichtig, dieses zynische Werte-Vakuum, ein Paradies für Autokraten und Diktatoren, aus Sicht eines freiheitlichen Europas mit einer klaren Handlungsperspektive zu füllen:
- Es gilt internationales Recht. Die territoriale Integrität der freiheitlichen Länder in Europa gilt bedingungslos (Ausnahme: Verhinderung eines offensichtlichen Genozids)
- Ein militärischer Angriff auf einen friedlichen Staat in Europa kann mit allen nichtnuklearen Mitteln erwidert werden, bis Punkt 1. wieder hergestellt ist.
- Die militärischen Reaktionen in Punkt 2. schliessen ausdrücklich auch Angriffe auf die militärische Infrastruktur im Land des Aggressors ein, welche den Aggressionskrieg ermöglicht.
- Ein nuklearer Erstschlag des Aggressors wird nuklear beantwortet.
Zu den damit verbundenen Dilemmata habe ich mich an anderer Stelle („Nukleare Erpressung“) geäussert.
Der Adressat dieser roten Linien ist nicht nur Wladimir Putin, sondern auch Donald Trump hinsichtlich seiner konzeptionslosen, erratischen Verhandlungspolitik (ich persönlich habe den Eindruck, dass Friedrich Merz an dieser Stelle auf Donald Trump einen guten Einfluss hat).
Und was ist mit Wladimir Putin? Sehr einfach: Der Kreml liefert keinerlei(!) Indikation dafür, aufzuhören, Krieg zu führen. Ganz im Gegenteil. Diese Chance ergibt sich erst, wenn der aktuelle Kreml-Chef von seinem Posten entfernt wird.
Aus dieser nüchternen Erkenntnis ist die weitere militärische Konfrontation gegenwärtig unsere logische Realität, so sehr wir sie auch hassen mögen. Die damit verbundene Zielsetzung ist auch klar: Zurückdrängung der russischen Aggression aus der Ukraine und Wiederherstellung internationalen Rechts auf diesem Gebiet.
Die Alternative: Unterwerfung gegenüber der russischen Barbarei. Und das würde nicht bei der Ukraine enden, wenn sie dort erfolgreich wäre.
Nachtrag 29.07.2025: Die USA und die EU vereinbaren einseitige Zölle für die EU in Höhe von 15%. Fast gleichzeitig verkündet Donald Trump nun eine Verkürzung des 50-tägigen Ultimatums der Sekundärzölle gegenüber Russlands Handelspartnern auf 10 bis 12 Tage und erklärt erneut, wie enttäuscht er nun von Vladimir Putin sei.