Trumpamerika

Peter Conzelmann

In dieser Woche erscheint unter dem Titel „Wie konnte das geschehen? Deutschland 1933 bis 1945“ das neue Buch von Götz Aly, eine groß angelegte Untersuchung über die Frage, wie es den Nazis gelungen ist, so viele, auch gebildete und politisch informierte Menschen in Deutschland dazu zu bringen, sich in den Dienst der braunen Machthaber zu stellen. Vor allem: Wie konnte das Regime die Deutschen ganz bewusst zu Mitwissern seiner Verbrechen machen, zu Menschen also, die nicht protestierten und einschritten, sondern die schwiegen und duldeten, die mitmachten und vor allem profitierten?

Die Resonanz auf dieses vermutlich letzte große Werk zum Thema Nationalsozialismus des lange Zeit als Außenseiter der geschichtswissenschaftlichen Zunft gehandelten, 1947 in Heidelberg geborenen Historikers dürfte enorm werden. Schon seine früheren Werke – so zum Beispiel „Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus“ aus dem Jahr 2005 – haben Kontroversen ausgelöst.

In einem Interview mit der „Berliner Zeitung“ wird festgehalten, dass Götz Aly den Begriff „Faschismus“, wohl aufgrund seines inflationären Gebrauchs und daher relativen Unschärfe, im Zusammenhang mit dem Nazi-Regime vermeide. Lieber spreche er von „Hitlerdeutschland“. Ich greife diesen begrifflichen Modus auf und nenne – unter Bezug auf meine verschiedenen Beiträge zum Thema auf diesem Blog – das, was sich derzeit in den USA abspielt, fürderhin „Trumpamerika“.

Auch was dieses Trumpamerika anbelangt, muss die Frage gestellt werden, wie es gelingen konnte, so viele, auch gebildete und politisch informierte Menschen dazu zu bringen, sich in den Dienst einer Bewegung zu stellen, diese zu unterstützen oder ihr zu applaudieren, die dabei ist, sämtliche demokratischen Instanzen der USA nachhaltig und mit unabsehbaren Folgen zu beschädigen. Wie schafft es dieses Trumpamerika, breite Schichten der Bevölkerung zu mindestens passiven Mitwissern, wenn nicht Unterstützern einer disruptiven Agenda zu machen? Eine Agenda, die Ursache dafür ist, dass per Massenentlassung von Mitarbeitern staatliche Institutionen arbeitsunfähig gemacht und deren hohe Repräsentanten öffentlich beleidigt und unter Druck gesetzt, dass Wissenschaftler an Universitäten und Forschungsinstituten behindert und eingeschüchtert werden, dass Migranten durch die Straßen gejagt und die Armee und Nationalgarde gegen Obdachlose eingesetzt werden.

In einem wichtigen Aspekt ähnelt dieses Trumpamerika dem von Götz Aly beschrieben Hitlerdeutschland: das Tempo. In einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung führt der Historiker aus:

(FAZ) Welche Rolle spielt dabei das rasende Tempo, die nervöse Dauerspannung, unter der Goebbels und Hitler die deutsche Bevölkerung hielten?

(Götz Aly) Das ist ein sehr wichtiges Moment. Wilhelm Röpke hat diesen Mechanismus als Kreisel beschrieben, der dauernd gepeitscht werden muss, damit die Leute sich weiterdrehen. Dieses Tempo, dieser unglaubliche Aktionismus, das Voranstürmen, Weitermachen, hält die Leute bis zum bitteren Ende zusammen. Bewegung und Tempo als Herrschaftstechnik: So lange der Volkskörper rotiert, ist unsere Position gesichert. Als die deutschen Soldaten, kaum dass sie Nordseite des Kaukasus erreicht haben, von der Roten Armee rasch wieder zurückgetrieben werden, kommentiert Goebbels, Gott sei Dank werde sich das „Tempo des Krieges“ auch auf diese Weise „wahrscheinlich außerordentlich beschleunigen“. Tempo! Egal, wohin.

Das erinnert an das inzwischen vielzitierte Diktum des ultra-rechten Trump-Masterminds Steve Bannon „Flood the zone with shit“. Heißt: Lass den politischen Gegner nicht zur Ruhe kommen, schlage ständig zu auf allen Ebenen! Das zurückliegende erste halbe Jahr der Trumpschen Regentschaft, gekennzeichnet von einer Flut von Dekreten aus dem Weißen Haus und einer unermüdlich arbeitenden Propagandamaschine, zeigt eindrucksvoll, wie diese Parole umgesetzt wurde.

Zu den jüngsten Maßnahmen in Trumpamerika gehört, dass öffentliche bzw. vom Staat getragene Museen in die Zange genommen werden. Im Vorgriff auf die Feierlichkeiten zum 250. Geburtstag der USA im kommenden Jahr sollen nun die Ausstellungen der renommierten Nationalen Museen der Smithsonian Institution überprüft werden. Laut Trump seien diese „außer Kontrolle“. Wie er auf seiner Online-Plattform „Truth Social“ verlautbarte, sollen sie die Geschichte des Landes „anständig“ und „positiver“ präsentieren. Für anti-amerikanische Narrative bzw. das, was Trump und seine Gefolgschaft darunter verstehen, sei kein Platz mehr in diesen Häusern. Dazu gehöre insbesondere die kritische Auseinandersetzung mit Sklaverei und der Umgang mit den Ureinwohnern Nordamerikas.

Trumpamerika nähert sich in diesem Punkt seinem einstmaligen großen Rivalen auf der Weltbühne an. Auch dort ist der Präsident höchstselbst darum bemüht, die Geschichte des Landes ins rechte Licht zu rücken, sei es mit den Glorifizierungen einstiger imperialer Größe unter den Zaren, sei es mit den inzwischen in alle Schulbücher aufgenommenen, positiven Deutungen des massenmörderischen Diktators Stalins und seines Paktes mit Hitler oder sei es mit dem die Invasion des Nachbarlandes vorbereitenden, die Geschichte grob verfälschenden Essay „Über die historische Einheit Russlands und der Ukraine“ aus dem Jahr 2021.


Götz Aly, Wie konnte das geschehen? Deutschland 1933 bis 1945, S. Fischer, Frankfurt am Main 2025, ISBN: 978-3-10-397364-8

Ders., Hitlers Volksstaat. Raub, Rassenkrieg und nationaler Sozialismus. S. Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-89331-607-8 (Bundeszentrale für politische Bildung), ISBN 3-10-000420-5 (Fischer).

„Der Weg in die Diktatur: ‚Nicht mitmachen ist kein Widerstand‘ “, Berliner Zeitung vom 24.08.2025

„Goebbels hat die deutsche Kollektivschuld erfunden“, Interview mit Götz Aly, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21.08.2025

Wladimir Putin, Zur historischen Einheit von Russen und Ukrainern (Об историческом единстве русских и украинцев), In: kremlin.ru. 12. Juli 2021

Abbildung: Blick auf das Gebäude des Smithsonian American Art Museum in Washington, DC (28.12.2012), Autor: Zack Frank, Smithsonian American Art Museum – Wiki Commons

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