
Jagdszenen aus Trumpamerika
Das neueste Opfer Donald Trumps heißt Lisa Cook, Gouverneurin der US-amerikanischen Notenbank Federal Reserve. Trump hat auf seiner Plattform Truth Social ihre sofortige Abberufung aus dem Board of Governors der US-Notenbank Federal Reserve angekündigt. Die üblichen Beschimpfungen und Unterstelllungen begleiteten die Attacke.
Der Machtkampf um die Notenbank bzw. deren Geldpolitik geht nun schon über Monate. Im Fadenkreuz stand und steht dabei auch der Chef der Fed Jerome Powell. Diesem versuchte Trump Misswirtschaft im Zusammenhang mit einem Neubau zu anzuhängen, was ihm nicht gelang. Nun versucht es Trump mit fadenscheinigen Vorwürfen gegen Lisa Cook unter Berufung auf eine Gesetzes-Klausel im „Federal Reserve Act“. Kommentatoren sind sich einig: Ein solche Maßnahme ist beispiellos in der Geschichte der US-Notenbank. Noch nie zuvor habe ein Präsident versucht, ein Fed-Mitglied zu entlassen.
Im Falle Lisa Cook ist es ein doppelter Angriff.
Zum einen ist es ein Versuch Trumps, aus wahltaktischen Gründen – Trump will für Wirtschaft und Verbraucher niedrigere Zinsen erreichen und somit die Märkte nach oben ziehen – die Unabhängigkeit der Notenbank zu brechen. Ein Vorgang, der nach Einschätzung vieler Ökonomen verheerende Folgen nicht nur für die US-, sondern auch für die Weltwirtschaft hätte.
Trump steht allerdings mit diesem Versuch nicht alleine da. Schon seine Vorgänger Harry S. Truman und Richard M. Nixon setzen die Fed unter Druck, weil ihnen deren Geldpolitik nicht passte. Besonders die durch Nixon herbeigeführten geldpolitischen Entscheidungen zu Niedrigzinsen führten zu einem drastischen Anstieg der Inflation und zu einem Verlust an Vertrauen in die Wirtschaftspolitik der USA. Erst mit dem neuen Fed-Chef Paul Volcker wurde dieser Weg beendet. Die Federal Reserve erlangte hierdurch wieder ihre, seither unangetastete und allseits respektierte Unabhängigkeit. Festzuhalten ist: An die leitenden Personen der Fed trauten sich weder Truman noch Nixon heran.
Zum anderen aber ist die Attacke auf Lisa Cook auch Ausdruck des persönlichen Verfolgungswahns des aktuellen US-Präsidenten. Laut dem US-amerikanischen Journalisten und Trump-Biografen Michael Wolff habe sich dieser im privaten Umfeld mehrfach geäußert, dass er sich von schwarze Frauen – neben Lisa Cook von der New Yorker Generalstaatsanwältin Letitia James, der Staatsanwältin Fani Willis in Atlanta sowie die Richterin Tanya Chutkan – verfolgt fühle. Diese habe er kollektiv wiederholt und in herabsetzender Weise als „fat black women“ bezeichnet.
Verbale Attacken und Beleidigungen gehören in Trumpamerika inzwischen zum Alltag, vorneweg beim und durch den Präsidenten selbst. Sie sind ein emotionales Ventil für hasserfüllter Ressentiments, und sie sind ein wohlkalkuliertes Werkzeug im Kampf um die und zur Festigung der Macht.
Schon im ersten Wahlkampf ums höchste Staatsamt überzog Trump seine Gegnerin Clinton mit dem Schmähwort „crooked Hillary“ (betrügerische Hillary). Seinen aktuellen Vorgänger Biden nannte er mit Vorliebe „sleepy Joe“ (schläfriger Joe), den Konkurrenten Cruz aus der eigenen Partei „lyin‘ Ted“ (lügnerischer Ted), die Politikerin der Demokraten Elizabeth Warren bezeichnete er wegen derer Aussagen über ihre indigene Abstammung mit schöner Regelmäßigkeit als „Pocahontas“ (Tochter eines indigenen Häuptlings im 17. Jahrhundert). Ungezählt seine Schmähungen und Diffamierungen jedweder Person, die sich kritisch gegenüber ihm und seiner Politik zu äußern wagt.
Wichtig ist: Die Schmähungen müssen regelmäßig kommen, Beleidigungen müssen in Dauerschleife durch die Medien gejagt werden. Ins Fadenkreuz geraten dabei bevorzugt Menschen, die nicht in das ultra-konservative Traumbild vom weißen, männlich dominierten Amerika passen wollen. „Fat black women“ sind daher ein Abziehbild dessen, was das Trump-Lager tief verachtet.
Ein Meister dieses Fachs war der NSDAP-Gauleiter von Berlin und spätere „Minister für Volksaufklärung uns Propaganda“ Joseph Goebbels. Wie man es macht, kann man an dessen Attacken auf den stellvertretenden Berliner Polizeipräsidenten Bernhard Weiß lernen.
Bernhard Weiß, ein preußischer Jurist jüdischer Abstammung, der fest an den Rechtsstaat glaubte, ging Ende der 1920er-, Anfang der 1930-Jahre konsequent gegen die NSDAP und ihre Schlägertruppen von der SA vor. Damit wurde er zu einem bevorzugten Angriffsziel der Nazis und deren Propagandaapparat.
In dem von Goebbels verantworteten Nazi-Kampfblatt „Der Angriff“ klang das dann so:
„Kommt da so ein Jude aus Galizien mit Namen Wacholder Trompetenschleim, und nach einem Jahr hat er seinen Vornamen vertauscht und heißt ‚Isidor‘. Nach einem weiteren Jahr hat er auch seinen Zunamen vertauscht und heißt ‚Weiß‘. Nach noch weiter einigen Jahren sitzt dieser Mann im Polizeipräsidium und behauptet, er heiße ‚Bernhard‘ mit Vornamen.“
Das Namenverhunzen hatte Methode. Besonders der „deutsche“ Vorname Bernhard reizte zu verbalen Attacken, sollte es doch beweisen, auf welche infame Weise sich Juden im „deutschen Volkskörper“ auszubreiten versuchten, indem sie ihre wahre Identität zu verbergen wussten. Goebbels nannte Weiß daher wahrheitswidrig und beständig „Isidor“. Hier eine kleine Auswahl aus „Der Angriff“:
„Also ich möchte nicht Isidor Weiß heißen und den Hintern des Polizeivizepräsidenten haben. Vorsicht, Gummiknüppel.“
„Der mächtigste König in Großberlin,
das ist der Isidor Weiß,
doch Dr. Goebbels der Oberbandit,
der macht ihm die Hölle schon heiß.“
Seinen Hass auf alles Jüdische, für das Bernhard Weiß die Zielscheibe abgeben musste, steigerte er mit der Aussage:
„Isidor: das ist kein Einzelmensch, keine Person im Sinne des Gesetzbuches. Isidor ist ein Typ, ein Geist, ein Gesicht, oder besser gesagt, eine Visage.“
Die SA griff es gerne auf uns skandierte grölend auf den Straßen Berlins:
„Man hört’s bis zum Brandenburger Tor:
Er nennt sich Herr Doktor Bernhard Weiß. Und bleibt doch der Isidor.“
Bernhard Weiß konnte sich 1933 auf abenteuerliche Weise in Sicherheit bringen und überlebte den Zweiten Weltkrieg im Londoner Exil. Wer schützt die Menschen in Trumpamerika?
Michael Wollf, siehe: https://www.thedailybeast.com/trump-rages-about-fat-black-women-in-revenge-rants-author/?utm_source=chatgpt.com
Dietz Bering, Der Fall „Isidor“ – Polizeivizepräsident Bernhard Weiß gegen Gauleiter Joseph Goebbels: Zum 50. Todestag eines preußischen Juden, Die Welt 28.07.2001
Abbildung: Joseph Goebbels (1934), Quelle: Bundesarchiv, Bild 102-17049 / Georg Pahl / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de (Ausschnitt) https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5415572