Trumps Friedensshow: Nur ein Zwischenakt im Drama um Gaza

Delf Bucher

Als Donald Trump den «ewigen Frieden» im Nahen Osten verkündet, jubeln die Massen in Gaza und in Tel Aviv – ein Moment kollektiver Hoffnung. Doch hinter der Bühne des Triumphs regieren alte Muster: Machtpoker, Autokraten, ein Friedensplan ohne Fundament.

Freitag, 10. Oktober: Erleichtert hüpfen die palästinensischen Kinder und Jugendlichen hoch, als der Friedensplan von Donald Trump verkündet wird. Auf dem Platz der Geisel in Tel Aviv bricht noch mehr Jubel aus. Am Samstag versammeln sich 400.000 Menschen. Aus der Menge ragen Plakate mit der Aufschrift «We love Trump». Einige tragen Masken des US-Präsidenten. das Wort «Friede» schwebt vom «from river to the sea».

Zwei Tage später kommt der Friedensfürst aus den USA. Trump hält in der Knesset eine wirre Rede, immer wieder unterbrochen von stehenden Ovationen. Ein kleiner Werbeblock für die amerikanischen Waffensysteme fehlt nicht, die so eindrucksvoll den Gaza-Streifen in Ruinen legten. Jetzt aber sei «das Ende einer Zeit von Terror und Tod» gekommen. Fast poetisch und ganz anders als sonst verkündet er: «Nach so vielen Jahren unaufhörlicher Kriege und Gefahren ist heute der Himmel ruhig, die Waffen schweigen, die Sirenen verstummen, und die Sonne geht über einem heiligen Land auf, das endlich Frieden gefunden hat. Ein Land und eine Region, die, so Gott will, für alle Ewigkeit in Frieden leben werden.»

Friedensfestspiele

Friedensfestspielen auch in Ägypten: Sicher haben Trump die Schilder auf der Fahrt vom Flughafen zum Konferenzzentrum von Scham-Ei-Scheich geschmeichelt, auf denen in grossen Lettern geschrieben stand: «Willkommen im Land des Friedens», eingerahmt von den Porträts von Trump und dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fatah al-Sisi. Über den Gastgeber al-Sisi gab es dann lobende Worte von Trump dafür, dass der ägyptische Herrscher mit eiserner Faust sein Land regiert. «Ich mag die harten Leute lieber als die freundlichen», zitiert ihn die NZZ. Das ist nur ein Detail am Rande, das aber schlaglichtartig auf den Umstand des fragilen Friedensprozesses hinweist. Es ist ein Deal autoritärer Autokraten.

Schon am Tag Eins des Inkrafttretens zeigt sich: Das Wort Friede ist zu hoch gestapelt für diesen Waffenstillstand. Triumphierend füllen maskierte Hamas-Terroristen die Strassen, den 47 Prozent des Territoriums. Zurecht haben Konfliktforscher bereits zuvor gewarnt: Wenn nur die Waffen schweigen, ohne dass die strukturellen Gründe, die den kriegerischen Konflikt ausgelöst haben, beseitigt werden, ist es ein «negativer Frieden». Und der Blick auf die Akteure konturiert deutlich, dass Phase Eins nur eine Atempause ist. Immerhin eine Atempause, die 20 lebende Geiseln der Hölle des Tunnelsystems von Gaza entkommen liess und die zwei Millionen Bewohnerinnen und Bewohner von Gaza nachts ohne Detonationen etwas ruhiger schlafen lässt. Die Zukunft des Friedensplans, der nun den Namen Trump trägt, ist zu vage. Er erinnert daran, dass die USA es immer wieder nicht so genau nehmen, die Szenarien nach dem Krieg sorgfältig zu planen. Es ist ein Plan, der sich den Interessen der beteiligten autoritären Politiker beugt und in die jeder etwas von seinen Interessen hinein diktieren durfte. Richten wir den Blick auf die Player im Nahost-Poker, was zeigt, wie divergierend die Interessen der Akteure sind und weshalb der Gaza-Plan auf wackligen Füssen steht.

DONALD TRUMP

Aus rein machtpolitischer Perspektive erwies sich der US-Präsident tatsächlich als Dealmaker. Als Netanyahu die Attacke auf die Hamas-Unterhändler in Katar befahl, überschritt er eine rote Linie. Plötzlich sah sich Trump nicht mehr zur bedingungslosen Loyalität des aggressiven Kurses der israelischen Regierung verpflichtet. Zwei ganz simple Fakten hat der israelische Premier bei seiner kriegerischen Kalkulation übersehen: Mit Katar pflegen Trump und sein Schwiegersohn Jared Kushner nicht nur wirtschaftliche Beziehungen, sondern hier findet sich auch der grösste nahöstliche US-Militärstützpunkt mit 10.000 Soldaten. Und Trump, der alte Reality-TV-Darsteller, hatte ein geschicktes Händchen, um seine Rückendeckung für den ölreichen Mini-Staat zu inszenieren. Gedemütigt griff Netanyahu beim Besuch im Weissen Haus vor der Kamera des Hausfotografen zum Telefon. Auf der anderen Seite der Leitung der Herrscher Katars, der nun von Netanyahu, sonst nicht gerade für Reue bekannt, um ein Mea Culpa für seine völkerrechtswidrige Attacke gebeten wurde, zu akzeptieren. Eine Machtdemonstration, die zeigte, wer nun die Bedingungen über Krieg und Frieden in Gaza diktiert.

Warum erst jetzt?

Plötzlich galt die bis dahin unverrückbare israelische Maxime – zuerst die Entwaffnung der Hamas, dann ein Abkommen – nicht mehr und die USA garantierte sogar der Terrororganisation, dass Israel nicht mehr den Krieg wieder aufnehmen wird. Hätte Trump solches neun Monate früher im Januar mit Nachdruck durchgesetzt, viele Zehntausende Menschen würden noch leben und Gaza-City wäre nicht eine Ruinenstadt.

Als nahöstlicher Friedenspolitiker hatte sich Trump bis dahin nicht hervorgetan. Er selbst räumte in seiner Rede in der Knesset ein, er habe Netanyahu keinen Wunsch für die aggressivsten Offensivwaffen ausgeschlagen. Mit dem fortlaufenden US-Waffenlieferungen verlängerte er den Krieg. Mit seiner Riviera-Vision weckte er die schlummernden Wünsche der radikalen Rechten von Israel. Die Vertreibung der Palästinenser aus Gaza und die Besiedlung durch die Juden wurden so für einen beträchtlichen Teil der israelischen Bevölkerung zum Programm.

Schon in seiner ersten Amtszeit mit der Entscheidung, den US-Botschaftssitz nach Jerusalem zu verlegen, bekannte er sich dazu, dass die multiethnische und multireligiöse Stadt in jüdischer Hand verbleiben soll. In zukünftigen Verhandlungen über politische Perspektiven einer Zwei-Staaten-Lösung wird dies eine schwere Hypothek sein. Hinzu kommt die laxe Einstellung der Trump-Administration zu dem massiv fortgesetzten Landraub radikaler Siedler in der Westbank.

Was bei dem Peacedeal à la Trump auffällt: Er macht einen weiten Bogen um die UNO. Er lässt seine Emissäre – Steve Witkoff und seinen Schwiegersohn Jared Kushner – mit der Terrororganisation Hamas verhandeln, ohne die eigentlich völkerrechtlich dazu legitimierte palästinensische Autonomiebehörde mit einzubeziehen. Der vom Programm verkündete «ewige Friede in Nahost», das legt die Gesamtbetrachtung seiner nahöstlichen Politik nahe, liegt in weiter Ferne.

BENJAMIN NETANYAHU

Mitten in der Schockstarre, die das Land nach der Ermordung des Premierministers Jitzchak Rabin 1995 prägte, gelangte der Langzeitpremier Benjamin Netanyahu an die Macht, dessen Amtszeit nur für kurze Episoden unterbrochen wurde. Die allgemeine gesellschaftliche Erschütterung nach der Ermordung Rabins durch einen rechtsextremistischen Siedler brachte die Likud-Partei mit ihrer deutlich konservativen und sicherheitsorientierten Linie an die Macht. Statt einer Zwei-Staaten-Lösung standen von da an die Zeichen auf eine deutliche Ausdehnung der Siedlungen in der Westbank.

Israels Machiavelli

Im Laufe der Jahre radikalisierte sich Netanyahu und war am Schluss darauf angewiesen, sich dank einer Koalition mit rechtsextremen und ultraorthodoxen Kleinparteien eine knappe Mehrheit zu sichern. Dank dem Vergeltungskrieg gegen Hamas, der sich vom ersten Tag völkerrechtswidrig gegen die Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen richtete, gelang es ihm, dem anstehenden Korruptionsprozess zu entgehen. Seine Popularität war zudem nach dem 7. Oktober auf dem Tiefstand. Denn dass das grösste Massaker an Juden nach dem industriellen Massenmord der Nazis stattfinden konnte, war direkt verknüpft mit der machiavellistischen Politik Netanyahus. Jahrzehntelang förderte er die Hamas als Gegenspieler zur PLO Arafats, erlaubte den Kataris Milliarden von Dollar in den Gaza zu pumpen, von dem ein grosser Teil für labyrinthische Tunnelsysteme wie auch für Raketenproduktionsstätten abgezweigt wurde.

Mit den zumindest auf den ersten Blick erfolgreichen Militärschlägen gegen die islamistische Hisbollah im Libanon und die Atomanlagen im Iran stieg die Popularität Netanyahus wieder. Aber schon bei den gemeinsamen Attacken auf den Iran zeigte sich, dass Netanyahu nicht losgelöst von der Trump-Administration agieren konnte. Denn Trump befahl das Ende des Kriegs und als die israelische Luftwaffe weiter bombte, kam das ultimative Stoppzeichen aus Washington.

In seinem Kampf ums politische Überleben muss er nun das Narrativ durchsetzen: Hamas ist zerschlagen und entwaffnet. Er muss gleichzeitig begründen, dass er im Interesse der Staatsräson kompromisslos gegenüber Hamas blieb, auch wenn dies für eine grosse Zahl der Geiseln der Tod bedeutete. Falls Netanyahu die nächsten Wahlen gewinnt, setzt sich die massive Expansion der Siedler in der Westbank fort und könnten auch ähnlich wie im Westjordanland wieder neue Siedlungen in Gaza entstehen. Aber auch ohne Netanyahu sind die traumatisierten Israelis und Palästinenser verbunden in der Liebe zum Hass. Die gegenseitigen Ressentiments, die auf beiden Seiten in der Mitte der Gesellschaft verbreitet sind, lassen leider wenig Spielraum für die Vision einer friedlichen Koexistenz.

HAMAS

Es wird für Historikerinnen und Historiker später schwierig, einmal die Hintergründe des menschenverachtenden Massakers an 1250 jüdischen Menschen auszuleuchten. Die Frage, ob die Scheichs von Katar oder die Ajatollahs vom Iran vor dem 7. Oktober 2023 von dem monströsen Vernichtungsplan wussten, werden wir vielleicht nie beantworten können. Ob die Massenvergewaltigungen israelischer Frauen angeordnet oder spontan waren, getrieben von nationaler toxischer Männlichkeit einer patriarchalischen Kultur, werden vielleicht reuige Hamas-Terroristen enthüllen.

Mit Terror auf die politische Agenda

Aber an dem Hauptmotiv, welches die Hamas-Kommandanten antrieb, daran gibt es kaum einen Zweifel. Die islamistische Terrororganisation wollte dank Massaker und Geiselnahme die Palästina-Frage wieder zurück ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit bringen. Dieses Ziel haben sie unbestreitbar erreicht nach vielen Jahren, in denen das Schicksal der Palästinenser schon in Vergessenheit geraten war. Just zu dem Zeitpunkt, als viele arabische Nationen das Abraham-Abkommen mit Israel unterzeichneten, ohne sich um den Einbezug der Palästinenser zu kümmern, folgte die grauenvolle Attacke vom 7. Oktober 2023.

Palästina ist wieder prominent auf die politische Agenda der Weltpolitik zurückgekehrt. Aber Gaza liegt in Ruinen, 67.000 Palästinenserinnen und Palästinenser sind schätzungsweise getötet worden. Nirgendwo wurde die zynische Taktik, militärische Infrastruktur in zivilen Einrichtungen zu verstecken und Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen, so konsequent und blutig umzusetzen wie durch die Hamas.

Im Schatten des von Hamas entfesselten Massakers und dem nachfolgenden israelischen Vergeltungskrieg setzten sich die radikalen jüdischen Siedler aggressiv wie nie zuvor in der Westbank fest, terrorisieren dort die alteingesessene Bevölkerung unter den Augen israelischer Soldaten, die den fanatischen Mob gewähren lassen.

Wenn die propagandistischen PR-Trompeten auch das Lied vom grossen Sieg der Hamas anstimmen, ist es in Wahrheit eine bittere Niederlage. Sie spiegelt sich auch in den sicher im Kriegszustand schwierig zu erhebenden Zahlen der sinkenden Popularität von Hamas wider. Mittlerweile steht laut Umfragen nur noch ein Drittel der Bevölkerung des schmalen Küstenstreifens hinter ihnen, was, nachdem Gaza in Schutt und Asche liegt, eine immer noch hohe Zahl ist. Aber dies zeigt auch: Nur noch mit der Macht der Gewehrläufe können sie die Bevölkerung in Schach halten.

Stolperstein Entwaffnung

Und mit Waffengewalt nutzt die Terrororganisation die von Israels Armee geräumten Zonen als bewaffnete Ordnungsmacht. Am Tag 1 der Phase 1 exekutierten Hamas-Kämpfer sieben «Kollaborateure» vor laufender Kamera. Trump scheint das keine Sorgen zu bereiten und wird in der NZZ dazu so zitiert: «Das waren ganz schlimme Gangmitglieder.» Das Spannende dabei: Bereits vor Monaten wurde spekuliert, dass die kriminellen Clans bewusst von Israel als Unruhestifter bewaffnet wurden.

Natürlich wünscht sich Trump die Entwaffnung der Hamas, fordert sie auch mit der Drohung einer Neuauflage des Krieges durch Israel ein. Aber vorerst sollen die Terroristen als Ordnungskraft agieren. Was aber heisst dies für die gewaltfreien Gruppen der Zivilgesellschaft, die im Frühling mutig demonstrierten? Sollen sie, die den Nukleus für einen demokratischen Palästinenserstaat bilden könnten, weiterhin zum Schweigen durch die Hamas-Repression gezwungen werden?

Die mit dem Waffenstillstand vereinbarte Entwaffnung wird zur Knacknuss. Welche Waffen muss Hamas zu welchem Zeitpunkt abliefern? Solche nicht definierten Bestimmungen des vagen Friedensplans bieten für Netanyahu dauerhaft einen Vorwand, um den Krieg wieder aufflammen zu lassen. Es herrscht ein fragiler Frieden in Gaza.

TONY BLAIR

Natürlich schmerzt es den britischen Ex-Premier, wie er mit seiner nahöstlichen Fehlentscheidung, den sinnlosen Irakkrieg von George W. Bush zu unterstützen, sein Image ruiniert hat. Der Irakkrieg als Ausgangspunkt von so vielen weiteren nahöstlichen Konflikten steht ihm im Wege, wenn er nun in der Rolle des operativen Leiters «Board auf Peace» den Übergang des bisher von Islamisten dominierten Gazastreifens zu einem demokratischen Gemeinwesen organisieren soll.

Es ist sicher ehrenhaft, dass er nun als Friedensbringer sein Image für die Geschichtsbücher etwas aufpolieren will. Dass der tiefgläubige Katholik auch noch als einer der Inspiratoren des 20-Punkte-Plans den interreligiösen Dialog im Punkt 18 reingepackt hat, könnte theoretisch ein Hilfsmittel bei der gegenseitigen Überwindung des Hasses sein. Nur die islamistische Hamas-Theologie wie auch die strengen religiösen Auserwähltheitsvorstellungen der radikalen Siedler werden kaum offene Religionsgespräche ermöglichen.

Zudem ist Tony Blairs politischer Leistungsausweis in nahöstlichen Fragen dünn, wie seine Einsetzung als Nahost-Beauftragter von UNO, EU, USA und Russland 2009 zeigt. Noch schwerer ist seine Aufgabe das «Board of Peace» mit unpolitische palästinensische Technokraten zu besetzen und als exekutives Gremium für den Übergang zu etablieren. Unpolitische Menschen gibt es weder bei Palästinensern noch bei israelischen Juden.

Blairs britischer Pass wiederum ist für seine Vermittlungstätigkeit ebenfalls wenig hilfreich. Die Erinnerung an das britische Völkerbundsmandat (1922-1948) ist unausrottbar im kollektiven Gedächtnis der Palästinenserinnen und Palästinenser verwurzelt.

UNO

Es gehört zur Ironie der Geschichte: Als Donald Trump sich wegen angeblich nicht funktionierender Rolltreppen und Teleprompter-Pannen in seinem typischen Meckerton beklagte, traf er sich am gleichen Tag mit arabischen Staatsoberhäuptern in einem der vielen Konferenzräume der UNO. Dort scheint das Gedeihen des 20-Punkte-Plans seinen Anfang genommen zu haben. Aber sonst spielte die UNO beim Zustandekommen des Friedensplans keine Rolle. Zu Recht fordert nun der deutsche Aussenminister Johann Wadephul ein UN-Mandat für die geplante Schutztruppe. Ein berechtigtes Anliegen, auf dem die Europäer bestehen sollten. Denn hierbei geht es um weit mehr als um Gaza. Es geht darum, eine neue willkürliche Weltordnung zu verhindern. Für Trump dagegen ist es durchaus wünschenswert, ohne eine regelbasierte Ordnung und ohne Völkerrecht zu agieren. Der Dealmaker schätzt nicht die dauerhaften aussenpolitische Verpflichtungen, sondern stellt lieber unterschiedliche Allianzen her, einzig auf die Interessenlage der USA ausgerichtet.

UNWRA-Schulen wieder öffnen

Das Versagen der Gaza Humanitarian Foundation hat gezeigt: Nur die UNO hat die Kapazität, um logistisch auf die prekäre Versorgungslage der ausgehungerten Bevölkerung reagieren zu können. Wichtig ist es auch, dass das von Israel verhängte Verbot gegen die UNWRA wieder aufgehoben wird. Nach zwei Jahren ohne Unterricht sind die Schulkinder Gazas zum Analphabetismus verurteilt. Deshalb braucht es internationalen Druck, um die UNWRA-Lehrpersonen wieder in Dienst zu nehmen. Selbstverständlich kann über neue Unterrichtsmaterialien diskutiert werden, da die alten in der Kritik stehen, teilweise antisemitische Inhalte zu vermitteln. Aber bitte schön, dann sollten auch israelische Lehrmittel 1948 nicht nur als patriotischen Gründungsakt darstellen, sondern die Schattenseiten der palästinensischen Vertreibung aufzeigen.

Ganz programmatisch steht die UNO am Schluss des Artikels. Ihre fortlaufende Delegitimierung durch Putin, Trump & Co. ist dabei, die nach dem Zweiten Weltkrieg hochgehaltenen universellen Menschenrechte zur Makulatur werden zu lassen. Bezeichnend ist es in diesem Zusammenhang, dass es Trump nicht mehr reicht, die USA vom Internationalen Strafgerichtshof fernzuhalten. Mittlerweile werden die Richterinnen und Richter auf die US-Fahndungsliste gesetzt. Das Völkerrecht und damit die UNO als sein Vollzugsorgan standen schon lange unter Druck. Jetzt wird sie immer mehr dazu verbannt, nur noch als marginale Zuschauerin passiv die geopolitischen Konflikte zu verfolgen.

Natürlich sollen nicht die historischen Fehler der Vereinigten Nationen unterschlagen werden: von der ungerechten Landverteilung Palästinas 1947 bis zum Scheitern der UNO in den Bemühungen um einen Frieden in Ex-Jugoslawien oder beim tatenlosen Beiseitestehen beim Völkermord in Ruanda. Auf der anderen Seite stehen aber Erfolge wie die Dekolonisierung Afrikas und Asiens oder das Vorantreiben des Nord-Süd-Dialogs. Mit Gesundheits- und Welternährungsprogrammen hat sie Millionen von Menschen das Leben gerettet. Vor allem hält sie die kantianische Idee vom «ewigen Frieden» aufrecht, die auf die Einhaltung rechtlicher und politischer Prinzipien beruht. Wenn Trump aber vom «ewigen Frieden» in Nahost spricht, ist dies blanker Hohn. Es ist ein Frieden, der auf einer ausgeklügelten Hightech-Tötungsmaschinerie beruht – made in USA.


Foto: Trump und Netanyahu am 28. Januar 2020 im Weißen Haus. Public domain, via Wikimedia Commons

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